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Die Musik des Zufalls

Die Musik des Zufalls

Titel: Die Musik des Zufalls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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Wirkung , di e e s au f ih n hatte , gefie l Nash e ganz un d ga r nicht . De r Karre n gehört e nich t i n di e Händ e eines Erwachsenen , sonder n i n de n Kindergarten , i n di e banale, unecht e Wel t de r Kinder , un d imme r wen n e r ih n übe r di e Wiese zog , empfan d e r Besc h ämun g un d da s quälend e Gefüh l seiner Hilflosigkeit.
    Di e Arbei t gin g langsam , fas t unmerklic h voran . A n einem guten Vormittag konnten sie fünfundzwanzig bis dreißig Steine a n de n Grabe n transportieren , abe r niemal s mehr . Wär e Pozzi ein wenig kräftiger gewe s en, hätten sie das Pensum verdoppeln können, aber der Junge schaffte es nicht, die Steine allein anzuheben . E r wa r z u klein , z u zart , zuweni g a n körperliche Arbei t gewöhnt . Zwa r beka m e r di e Stein e vo m Bode n hoch, abe r dan n vermocht e e r si e kein e nennensw e rt e Streck e meh r zu tragen . Sobal d e r dami t z u gehe n versuchte , bracht e di e Las t ihn aus dem Gleichgewicht, und schon nach den ersten zwei oder dre i Schritte n rutscht e ih m da s Din g au s de r Hand . Nashe , der de n Junge n u m zwanzi g Zentimete r un d siebzi g Pfun d übertraf, hatt e nich t mi t solche n Schwierigkeite n z u kämpfen . E s wäre jedoch nicht fair gewesen, wenn er alles hätte allein machen müssen , dahe r hobe n si e di e Stein e imme r z u zwei t an . Aber auc h s o wär e e s imme r noc h möglic h gewesen , de n Karre n mit j e zw e i Steine n z u belade n (wa s ih r Arbeitstemp o u m etw a ein Dritte l gesteiger t hätte) , doc h wei t übe r hunder t Pfun d konnte Pozz i einfac h nich t ziehen . Mi t große r Müh e schafft e e r sechzig ode r siebzig , un d d a si e vereinbar t hatten , sic h di e Arbei t zu teile n – de n Karre n als o imme r abwechseln d z u ziehe n –, beschränkte n si e jed e Ladun g au f eine n einzige n Stein . Wa s am End e woh l auc h da s best e war . Di e Arbei t wa r ohnehin anstrengen d genug , un d e s hatt e keine n Sinn , sic h davon kaputtmache n z u lassen.
    Nac h un d nac h g e wöhnt e Nash e sic h ein . Di e erste n Tage ware n di e schlimmsten , d a ga b e s kau m eine n Augenblick , in dem er nicht von einer fast unerträglichen Erschöpfung geplagt wurde . Di e Muskel n schmerzten , de r Verstan d wa r umwölkt , der Körpe r schri e unablässi g nac h Schlaf . Di e viele n Monat e im Aut o hatte n ih n verweichlicht , un d di e relati v leicht e Arbei t der erste n neu n Tag e hatt e auc h nich t daz u beigetragen , ih n au f den Schock der wahren Anstrengung vorzubereiten. Aber Nashe war noc h jung , noc h kräfti g genug , u m sic h v on de r lange n Phas e der Untätigkei t z u erholen , un d i m Lau f de r Zei t began n e r zu bemerken , da ß e r Ta g fü r Ta g ei n bißche n späte r müd e wurde, da ß er , währen d ih n i n de r erste n Phas e ei n Vormittagspensum an s End e seine r Kräft e gebrach t hatte , jetz t i n de r L a g e war , bis dahi n eine n große n Tei l de s Nachmittag s hinte r sic h z u bringen. Schließlich hatte er es nicht einmal mehr nötig, gleich nach dem Abendesse n in s Bet t z u kriechen . E r fin g wiede r an , Büche r zu lesen , un d gege n Mitt e de r zweite n Woch e merkt e er , d a ß das Schlimmst e hinte r ih m lag.
    Pozz i dagege n paßt e sic h nich t s o leich t an . Bei m Ausheben de s Graben s wa r de r Jung e noc h halbweg s zufriede n gewesen, doc h al s si e dan n zu r nächste n Phas e de r Arbei t übergingen, wurd e e r imme r unglücklicher . Zweifello s na h m ih n das Steineschleppe n meh r mi t al s Nashe , abe r sein e Gereizthei t und sein Mißmut speisten sich offenbar weniger aus der körperlichen Belastung , al s vielmeh r au s moralische r Empörung . Di e Arbeit wa r etwa s Furchtbare s fü r ihn , un d j e länge r si e dauerte , desto deutliche r gin g ih m auf , da ß e r da s Opfe r eine r schrecklichen Ungerechtigkei t war , da ß sein e Recht e au f irgendeine ungeheuerliche, abscheuliche Weise mit Füßen getreten wurden. Immer wieder dachte er an das Pokerspiel mit Flower und Stone, imme r wie d e r spielt e e r Nash e di e einzelne n Runde n vor ; er konnte einfach nicht akzeptieren, daß er verloren hatte. Nach zehn Tagen Arbeit an der Mauer war er überzeugt davon, daß man ihn betrogen hatte, daß Flower und Stone das Geld mit gezinkte n Karte n ode r irgen d eine m andere n unerlaubte n Trick a n sic h gebrach t hatten . Nash e ta t sei n möglichstes , diesem Them a au s de m We g z u gehen , abe r

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