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Die Musik des Zufalls

Die Musik des Zufalls

Titel: Die Musik des Zufalls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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blieb er auf Distanz, faßte nie mit an un d beteiligt e sic h nich t a n de r körperliche n Arbeit . Sein
    Auftra g lautete , de n Ba u de r Maue r z u beaufsi chtigen, und diese Aufgabe erfüllte er mit strenger und absoluter Herrschaft über di e ih m unterstellte n Männer . Murk s hatt e di e Selbstgefälligkeit eines Menschen an sich, der mit seinem Platz in der Hierarchie zufrieden ist, und wie bei den meisten Wachtme i stern und Teamchefs dieser Welt war seine Loyalität unerschütterlich auf Seite n derjenigen , di e ih m sagten , wa s e r z u tu n hatte . Zum Beispie l nah m e r da s Mittagesse n ni e zusamme n mi t Nash e und Pozz i ein , un d ni e blie b e r a m End e eine s Arbeitstages , u m noch mi t ihne n z u plaudern . Punk t sech s Uh r wa r Schlu ß mi t der Arbeit , un d dami t hatt e e s sich . «Bi s morgen , Leute» , sagt e er nu r noch , u m dan n i n Richtun g Wal d z u schlurfe n un d binnen Sekunde n au s ihre m Blickfel d z u verschwinden.
    Si e brauchte n neu n Tage , u m d ie Vorarbeiten abzuschließen. Dan n beganne n si e mi t de r Maue r selbst , un d plötzlic h sa h die Wel t wiede r ander s aus . Nash e un d Pozz i stellte n bal d fest , daß e s ein e Sach e war , eine n sechzi g Pfun d schwere n Stei n zu heben , abe r ein e gan z andere , danac h eine n zweiten sechzig Pfun d schwere n Stei n z u heben , un d da ß di e Sach e noc h anders aussah , wen n ma n sic h nac h diese m zweite n Stei n eine m dritten zuwenden sollte. Ganz gleich, wie stark sie sich auch beim Hebe n de s erste n fühlten , wen n e s a n de n zweite n ging , war scho n vie l vo n diese r Kraf t verbraucht , un d wen n de r zweite gehobe n war , blie b fü r de n dritte n noc h vie l wenige r übrig . So lief das also. Sobald sie an der Mauer arbeiteten, stießen Nashe un d Pozz i au f da s gleich e faszinierend e Rätsel : Di e Stein e waren a l le vollkommen gleich, und doch war jeder Stein schwerer als de r vorige.
    An den Vormittagen zogen sie in einem kleinen roten Karren Steine über die Wiese, legten sie einzeln am Rand des Grabens a b un d ginge n de n nächste n holen . Nachmittag s arbeitete n sie mi t Kell e un d Zemen t un d setzte n di e Stein e sorgfälti g a n ihren Platz. Es war schwierig zu sagen, welche dieser beiden Arbeiten di e schlimmer e war : da s endlos e Hebe n un d Absetze n a n den Vormittage n ode r da s Drücke n un d Schiebe n nac h dem Mittagessen . Erstere s verlangte ihnen vielleicht mehr ab, doch hatt e e s eine n heimliche n Vorzug : da ß si e di e Stein e übe r so große Strecken bewegen mußten. Murks hatte sie angewiesen, a m hintere n End e de s Graben s anzufangen , un d jedesma l wenn si e wiede r eine n Stei n abgeleg t hatten , mußte n si e mi t leeren Hände n zurückgehen , u m de n nächste n z u hole n – wa s ihnen eine kleine Atempause verschaffte. Die zweite Arbeit war weniger strapaziös, brachte dafür aber weniger Unterbrechungen mit sich. Die kurzen Pausen, die beim Aufklatschen d es Zement s entstanden , ware n be i weite m nich t s o lan g wi e die Spaziergäng e zurüc k übe r di e Wiese , un d genaugenomme n war e s vermutlic h schwerer , eine n Stei n u m ei n paa r Zentimete r zu verschieben , al s ih m vo m Bode n z u hebe n un d au f de n Karren z u legen . Zo g m a n all e andere n Variable n i n Betrach t – die Tatsache, daß sie sich morgens meist kräftiger fühlten; die Tatsache , da ß e s nachmittag s meisten s wärme r war ; die Tatsache , da ß ih r Widerwill e i m Lau f de s Tage s unvermeidlich imme r heftige r wurd e –, dan n lie f e s woh l au f ein Unentschiede n hinaus . Sech s Punkt e fü r di e ein e Seite , ein halbe s Dutzen d fü r di e andere.
    Di e Stein e beförderte n si e i n eine m Fas t Flyer ; genau einen solche n Kinderkarre n hatt e Nash e seine r Tochte r zu m dritten Geburtsta g geschenkt . Da s sa h zu n ächs t wi e ei n Scher z aus , und e r un d Pozz i mußte n lachen , al s Murk s ih n au s de m Schuppen holt e un d ihne n vorführte . «Da s is t doc h nich t Ih r Ernst? » sagte Nashe . Abe r Murk s meint e e s seh r ernst , un d mi t de r Zei t erwies sic h de r Spielzeugkarre n al s rech t ge e igne t fü r di e Aufgabe : das Metallgestell trug die Last, und die Gummireifen waren kräftig genug , sämtlich e Höcke r un d Löche r i m Geländ e zu überwinden . Trotzde m hatt e e s etwa s Lächerliches , mi t einem solche n Din g arbeite n z u müssen , un d di e seltsam verkind l ichend e

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