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Die Mutter

Die Mutter

Titel: Die Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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sorgten, wenn sie so lange ausblieb.
    Um Viertel vor zwölf sagte ich: «Ich kann mich nicht ins Bett legen, wenn sie nicht zu Hause ist. Wir sollten nachschauen, wosie bleibt. Da stimmt etwas nicht. Das würde sie nicht tun. Vielleicht ist ihr etwas passiert.»
    Jürgen runzelte missbilligend die Stirn. «Was soll ihr denn passiert sein?»
    Ich weiß nicht, wie es kam, ich dachte unvermittelt: Susi Rembach, fünf Jahre alt, ertrunken im Meer. Nein, nicht im Meer, am Strand, im seichten Wasser! Vielleicht lag es nur daran, dass wir uns so ausführlich über Annegret Kuhlmann und ihre beiden Kinder unterhalten hatten. Ich hatte plötzlich ein paar grauenhafte Bilder vor Augen. Wenn Rena ihr Rad schieben musste, hatte sie kein Licht. Sie konnte auf dem stockdunklen, holprigen Weg ausgerutscht und gestürzt sein. Mit dem Gesicht in eine der wassergefüllten Rinnen gefallen   …
    «Sei nicht albern», wies Jürgen mich zurecht. «Sie kennt den Weg wie ihre Westentasche.»
    Natürlich, aber es gab noch andere Möglichkeiten. Wenn noch jemand mit dem Traktor unterwegs gewesen war und Rena nicht gesehen hatte!
    «Werd nicht hysterisch, Vera!» Jürgen war verärgert. «Wer, meinst du, ist um zehn oder halb elf in der Nacht noch mit dem Traktor unterwegs? Und dann bei dem Wetter! Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sich außer Rena noch jemand da draußen herumtreibt.»
    Um zwölf ging er nach oben. «Ich bin müde, verdammt. Kommst du jetzt mit oder nicht?»
    Ich schüttelte den Kopf, ging in die Küche und stellte mich ans Fenster. So konnte ich auf den Hof hinausschauen und die Einfahrt im Auge behalten. Viel zu sehen war nicht, bei eingeschalteter Beleuchtung in der Küche gar nichts.
    Ich löschte das Licht, schaltete stattdessen die Lampe über der Haustür und die beiden auf dem Hof ein. Der Regen peitschte in Schüben durch die gelben Kreise. Es sah aus wie Nebelschleier. Mehrfach hörte ich ein Poltern. Der Wind schlug die Stalltür gegendie Mauer, riss die letzten Ziegel vom Stalldach und warf sie zu Boden wie ein trotziges Kind sein Spielzeug.
    Die Digitalanzeige des Radioweckers, den Mutter zu ihrer Unterhaltung in der Küche benutzte, zeigte sieben Minuten nach zwölf, als ein Scheinwerferpaar in der Einfahrt auftauchte. Für einen Moment schwappte mir Erleichterung durch Kopf und Brust, dann erkannte ich Patrick Urbans Wagen. Anne blieb noch für die Dauer des Abschiedskusses im Auto sitzen, stürmte mit einem Satz unters Vordach und in die Diele.
    Wieder so eine Bö, die die Stalltür schlagen ließ und eine der Hoflampen zum Schwingen brachte. Ein großes Stück Pappe trieb wie ein Segel quer über den Hof. Nur der Himmel wusste, wo es herkam.
    Anne kam bis zur Küchentür. Sie schüttelte sich wie ein Hund, schaltete das Licht an. Sie wollte noch einen Schluck Saft trinken, sah mich und wunderte sich. «Was machst du da? Bewachst du Papas Auto? Fahr es lieber in die Scheune, sonst hat es morgen ein paar Beulen.»
    Als ich ihr erklärte, warum ich am Fenster stand, starrte sie mich betroffen und ungläubig an. «Meinst du, du kannst sie nach Hause gucken? Ihr habt Nerven!» Sie schaute an sich hinunter, dann auf meine nackten Beine. «Zieh dir was an, wir gehen nachschauen, wo sie bleibt.»
    Vor einer halben Stunde! Hennessens Stimme höre ich heute noch. Um eine halbe Stunde verpasst! Wenn ich nach dem ersten Versuch am Telefon aufgebrochen wäre oder zumindest nach dem zweiten. Wenn ich Hennessens Schwester gebeten hätte: «Richten Sie ihr aus, sie soll auf mich warten.» Wenn Mutter sofort bei unserem Heimkommen einen Ton gesagt hätte. Wenn Vater meine Bitte nicht ignoriert hätte. Anne hatte nicht vergessen, ihm meinen Wunsch auszurichten. Anne meinte, er hätte sich nicht getraut, weil Mutter ihm von dem Unfall erzählt hatte. Wenn   … Nur eine halbe Stunde! Dabei reichen schon ein paar Minuten, um eineKerbe in den Stamm zu schlagen, den man für festgewachsen hält. In zweieinhalb Stunden fällt man den dicksten Baum.
    Als wir das Haus verließen, war es halb eins. Annes Angebot brachte Jürgen noch einmal nach unten. Bester Laune war er nicht, doch er fand, dass Anne ins Bett gehörte. Beunruhigt war er auch nicht. Er hielt daran fest: Rena sitzt unter einer Unterführung. «Der werde ich was erzählen», drohte er. «Ist ja nicht nötig, dass wir uns alle einen Schnupfen holen.»
    Das war meine geringste Sorge. Ich dachte bereits an ein heißes Bad und einen Tee, während ich

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