Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mutter

Die Mutter

Titel: Die Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
Vom Netzwerk:
tot, André Menke tot, Rena   …
    «Der arme Kerl», sagte Jürgen nach einer Ewigkeit.
    Klinkhammers Blick saugte sich an Jürgens Miene fest. Seine Stimme klang wie mit Sägespänen bestreut. «Tragische Sache! Er hat sich in seiner Scheune aufgehängt. Und dabei sah es so aus, als hätte er sich gefangen. Sonst hätte man ihn ja kaum aus dem Krankenhaus entlassen. Sie waren am Samstag bei ihm, habe ich gehört?»
    Jürgen nickte. «Nur für ein paar Minuten. Ich kenne   … Ich kannte Rudi Kuhlmann ja gut. Ich war bei meinem Schwiegervater, und da dachte ich, ich schau mal rein und sage Rudi guten Tag.»
    «Und sonst haben Sie ihm nichts gesagt?»
    Jürgen zuckte mit den Schultern. «Doch, natürlich. Das Übliche. Dass es mir Leid tut um seine Frau und die Kinder. Dass ich nachempfinden kann, wie ihm zumute ist, aber dass das Leben trotzdem irgendwie weitergeht. Etwas in der Art.»
    Klinkhammer nickte mit zusammengepressten Lippen. «Über seinen Schwager haben Sie also nicht mit ihm gesprochen?»
    Jürgen schüttelte den Kopf.
    Klinkhammer grinste wie ein Hund mit gefletschten Zähnen. «Sind Sie ganz sicher? Ich meine, wir sind hier unter uns, Herr Zardiss. Und ich würde es verstehen, wenn Sie zum Beispiel gesagt hätten: Ist das nicht eine Schande? Dieser Kerl hat vier Menschenleben auf dem Gewissen, und er läuft frei herum.»
    Jürgen schüttelte erneut und sehr bestimmt den Kopf. «Nein! Das habe ich mit Sicherheit nicht gesagt.»
    Klinkhammer atmete tief durch und schaute zum Fenster. «Es ist irgendwie komisch», sagte er wie in Gedanken versunken. «Da liegt dieser Mann wochenlang auf dem Rücken, starrt die Zimmerdecke an und ist nicht ansprechbar. Und kurz nach Ihrem Besuchsagt er zur Krankenschwester: Wird Zeit, dass ich heimgehe. Ich muss mich ums Vieh kümmern. Das kann ich doch nicht diesem Schweinehund überlassen. Ist das nicht eine Schande? Der Kerl hat vier Menschenleben auf dem Gewissen und er läuft frei rum. Er hat sich bei mir einquartiert.»
    Mir wurde übel. Statt all der Toten rumpelten mir plötzlich Jürgens Worte von der ordentlichen Gerichtsverhandlung durch den Kopf. «…   Urteil vollstreckt!» Daran blieb ich kleben.
    Jürgen lächelte kalt. «Sie sind bei mir an der falschen Adresse, Herr Klinkhammer. Reden Sie lieber mit dem alten von Wirth oder hören Sie sich im Dorf um. Fragen Sie ein paar Leute, die bei Annegret Kuhlmanns Beerdigung waren. Da sind ganz andere Ausdrücke gefallen als Kerl und Schweinehund. Der Alte hat seinen Sohn als Mörder bezeichnet.»
    «Das weiß ich», sagte Klinkhammer. «Aber er hat nur von einem Menschenleben gesprochen, nicht von vier.»
    Jürgen lächelte weiter und nickte dabei versonnen. Wie Klinkhammer sagte er: «Das weiß ich! Und ich habe mich ein paar Mal gefragt, ob sich das auf seine oder auf meine Tochter bezog. Ich meine, wenn es um Annegret ging, hätte der Alte von drei Leben sprechen müssen. Immerhin sind bei dem Unfall auch seine beiden Enkelkinder umgekommen. Der Alte ist ein Ekel, aber verrückt ist er nie gewesen und zählen konnte er auch immer. Davon abgesehen, denke ich, selbst wenn ihn Annegrets Tod ins Mark getroffen hat, er wird noch in der Lage gewesen sein, zwischen einem Autounfall und einem Mord zu unterscheiden. Und wenn es beim Mord an ihm hängen blieb, die Leiche zu beseitigen, konnte der Mörder auch ihm gefährlich werden. Oder sehe ich das falsch?»
    «Nein», sagte Klinkhammer, lächelte nun ebenfalls und genauso kalt wie Jürgen. Mir wurde heiß unter den Blicken, mit denen sie sich anbohrten. Mir polterten keine Toten und keine vollstreckten Urteile mehr durchs Hirn, nur die Bitte: «Sei still! Sei um Himmels willen still. Klinkhammer hat nicht von Udo gesprochen. Erhat nur gesagt: Kuhlmann ist tot. Also sei still. Du redest dich um Kopf und Kragen.»
    «Das sehen Sie völlig richtig», sagte Klinkhammer und ging zur Tür. Bevor er sie öffnete, sagte er mit abgewandtem Rücken: «Ach, das hätte ich jetzt beinahe vergessen. Dem Alten wird niemand mehr gefährlich. Bevor Rudi Kuhlmann sich aufgehängt hat, hat er seinem Schwager den Schädel gespalten.»
    Er drehte sich noch einmal zu Jürgen um. Seine Miene war wie aus Granit gemeißelt. «Mit einer Axt, womit auch sonst. Er hat ihn auf dem Hauklotz festgebunden. Es sieht nicht so aus, als hätte Udo von Wirth sich großartig zur Wehr gesetzt. Das war eine Hinrichtung, Herr Doktor. Und ich frage mich, wer sie in Auftrag gegeben hat. Schönen Tag

Weitere Kostenlose Bücher