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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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Fernsehmoderatoren meiner
Kindheit«, erwähnt Hardshaw lobend. »Leute wie Dan
Rather… und Sie wissen ja sicher, daß Rather sein Debut
gegeben hat, indem er in der Nixon-Ära ins Weiße Haus
eingedrungen ist. Das Weiße Haus hatte das aber geradezu
provoziert. Befürchten Sie vielleicht, daß ich Pauliss
Berlina Johnson zum Fraß vorwerfen will, damit wir ungeschoren
bleiben?«
    Diem schüttelt heftig den Kopf. »Für so dumm halte
ich Sie nicht, Chefin. Das wirkt immer so, als gäbe es etwas zu
vertuschen, und es ist schon schlimm genug, wenn man die
Video-Reporter am Hals hat; wenn es aber Indizien für eine
Vertuschung gibt, dann werden alle XV-Kanäle der Welt ihre
Schnüffler auf uns hetzen. Und wer weiß, was sie dabei
vielleicht sonst noch finden. ›Verwegener Reporter enthüllt
Verschwörung‹ – so heißt es dann. Schauen Sie
sich doch nur diese blöden Ärzte an, nachdem ihr
baufälliges Seniorenstift weggeblasen wurde.
    Nein, ich befürchte eher, daß Henry Pauliss bei dem
Gedanken, den Wölfen zum Fraß vorgeworfen zu werden, in
Panik gerät. In diesem Fall wird er sicher gleich zu Berlina
Jameson rennen und ihr alles haarklein erzählen.«
    »Und was weiß er?« Brittany Hardshaw lehnt sich
zurück und fixiert Diem mit einem milden, wohlwollenden Blick.
»Er weiß, daß wir die Prognoseabteilung geschlossen
hatten, um die Gefahr eines zweiten Globalen Aufstandes zu
verringern, denn der erste ist ja durch eine ihrer Prognosen
verursacht worden. Er weiß außerdem, daß wir die
Gefahr, in der wir uns jetzt befinden, schon viel früher erkannt
hätten, wenn die Prognose-Abteilung noch existieren würde.
Das ist aber auch schon alles.
    Beruhigen Sie ihn irgendwie, und dann rufen Sie Jameson an und
erzählen ihr die Geschichte selbst. Schlagen Sie ihr ein
Interview vor, wenn Sie die Zeit dafür haben. Machen Sie ihr
klar, daß wir es in der Tat verbockt haben, aber wir haben es
aus gutem Grund verbockt, und halten Sie keine Informationen
zurück.«
    »Chefin, mit Ihrem Hang zur Offenheit werden Sie noch viele
Probleme schaffen.«
    Hardshaw deutet auf den hohen Stapel Papiere, den
›Abschlußbericht‹ über die Millionen Todesopfer
auf Hawaii und die Schätzungen, wie lange es dauern wird, diese
Verluste auszugleichen; vielmehr, wie lange es dauern wird, die
Inseln wieder zu besiedeln. »Wir haben bereits so viele
Probleme, Harris, daß es darauf wohl auch nicht mehr ankommt.
Nun zum zweiten und wichtigeren Punkt der Tagesordnung –
verbinden Sie mich mit Rivera; wir müssen über den
Vorschlag von diesem Klieg sprechen.«
     
    In Gedanken versunken verläßt Henry Pauliss sein
Büro. Seine geschiedene Frau hat wieder geheiratet. Er hat zwei
Sekretärinnen, mit denen er manchmal schläft, und da gibt
es noch eine junge Frau, der er eine Weile den Hof gemacht hat, wenn
auch ohne Erfolg. Davon abgesehen besteht sein Sozialleben in
Ballspielen mit Diem und einigen Kongreßabgeordneten.
    Kinder hat er keine. Er hat zwar ein üppiges Bankkonto, aber
er weiß eigentlich gar nicht, was er mit dem ganzen Geld
anfangen soll. In seinem Testament ist noch immer seine Ex-Frau die
Begünstigte, aber das ist ihm im Grunde auch egal.
    Er läßt die Gedanken schweifen – vielleicht sollte
er ein letztesmal in Luxus schwelgen, sich ein gutes Essen
gönnen, eine gute Flasche oder gar eine Edelprostituierte?
Nichts von alledem sagt ihm indes zu. Er könnte seinen
Rücktritt einreichen (das wird ohnehin von ihm erwartet) und zu
einem anderen Glauben konvertieren, oder er könnte sein
Bankkonto auflösen und sich zum Angeln in die Wildnis absetzen.
Es gibt einige Orte, die er noch nicht kennt und einige Dinge, die er
noch nicht getan hat.
    Aber wenn ihm jemals etwas daran gelegen hatte, muß das
schon eine ganze Weile her sein. Vielleicht hätte der Pauliss,
der sich mit dem Gedanken getragen hatte, nach Europa zu reisen oder
in den Appalachen zu wandern, auch die Konsequenz zum Rücktritt
besessen, als sie die authentischen Daten ermittelt hatten. Wenn er
jemals ein wirkliches Leben mit wahren Freunden angestrebt hatte,
dann liegt ihm jetzt nichts mehr daran. Es gibt einfach keinen Grund
mehr für ihn, weiterzumachen…
    Er weiß genau; daß dies ein Klischee ist, aber es
funktioniert. Er betritt ein Geschäft und kauft sich einen
Paralysator. Die kleinen Hyperschallpistolen sind
ausschließlich zur Selbstverteidigung konzipiert; sie haben nur
eine Magazinkapazität von zwanzig Schuß und können
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