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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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die sie auf Monte
Alban ausgegraben haben. Er scheint sich Sorgen über den Zustand
der Exponate zu machen.
    Beschämt gesteht sie ihm, daß sie, obwohl sie schon
seit Wochen hier ist und zudem auch Freizeit hatte, weder im Museum
noch auf Monte Alban gewesen sei. Sie ist nur auf Versammlungen
gewesen und hat sich mit der Definition von Werten befaßt; und
selbst wenn sie das Museum besucht hätte, so sagt sie sich
selbstkritisch, hätte sie es ohnehin nicht zu würdigen
gewußt. Sie hätte dann nur der schönen Kultur und dem
Verlust für die lineare, zentrische Euro-Kultur
nachgetrauert…
    Als sie Oaxaca verlassen, ist es schon spät am Tag, aber die
Transponder der Bundesstraße 190 sind intakt, so daß das
Fahrzeug die Strecke bis Ciudad de Mexico im Automatik-Modus
zurücklegt. Ein umgeknickter Baum drüben am großen
Springbrunnen in der Paseo Juárez ist alles, was hier an
Sturmschäden zu verzeichnen ist; im Hinterland von Tehuantepec
hat ›Clem Zwei‹ einen Rechtsschwenk vollzogen, wodurch
Oaxaca noch glimpflich davongekommen ist; Chiapas hingegen hat seine
volle Wucht zu spüren bekommen.
    »Das Museum ist also nur drei Blocks entfernt, genau dort
drüben«, sagt sie. »Teufel, ob ich wohl noch mal die
Gelegenheit bekomme, es zu besuchen?«
    »Sicher; wenn du bei mir bleibst, Mädchen; ich liebe
diese Stadt nämlich«, meint Eric mit einem Grinsen.
Zügig fahren sie die Calle Niños Héroes de
Chapultepec entlang, die Ausfallstraße aus der Stadt, und
nehmen Kurs auf die A 190.
    Es hat ihr gefallen, als ›Mädchen‹ tituliert zu
werden. Wenn Jesse sich das jedoch erlaubt hätte, wäre sie
ausgerastet. Irgendwie war das wie ein Schock für sie – was
wohl als nächstes kommt, ›Baby‹ vielleicht?
    Andererseits interpretiert sie das so, daß er sie mag und
attraktiv findet, und warum soll er das nicht auch kundtun; wenn sie
damit Probleme bekommt, wird sie es ihm einfach sagen. Er macht einen
netten Eindruck und wird sie sicher nicht auf eine Art anreden, die
ihr nicht gefällt.
    Wenige Minuten später gibt er die Koordinaten eines Hotels in
Mexico City in den Bordcomputer ein und schaltet auf Automatik um
– als sie sich hinüberlehnt, um den Namen des Hotels in
Erfahrung zu bringen, stellt sie schockiert fest, daß sie das
Haus kennt. Es ist, einer der neuen, erdbebensicheren
Riesenpaläste, deren billigste Zimmer schon mehr als eines ihrer
Monatsgehälter verschlingen würden. »Äh«,
sagt sie, »ähem… ich sollte mir vielleicht etwas
suchen, das ich mir auch leisten kann…«
    »Kein Problem«, erwidert er. »Ich habe eine
Zwei-Zimmer-Suite gebucht. Du bist mein Gast. Ich mag dich
nämlich, Naomi. Ich will nicht bestreiten, daß ich gern
das Bett mit dir teilen würde, aber ich würde lieber
gefragt werden als selbst fragen.«
    Mach nur so weiter, sagt sie sich, und ich werde
dich wirklich fragen. Wie es wohl wäre, Sex mit einem
Mann zu haben, nur weil ich es will? Ohne auch nur den Versuch zu
machen, ihn zu erziehen.
    Diese Überlegungen sind ihr nachgerade unheimlich, und
deshalb sagt sie: »Weißt du, ich muß gestehen, wenn
ich das Museum besucht hätte, dann wäre ich mit einer
vorgefaßten Meinung über non-europäische Artefakte
dorthin gegangen und hätte das Wesentliche überhaupt nicht
erkannt. Ich bin wohl nicht sehr offen für neue Erfahrungen
– obwohl ich mein ganzes Leben versucht habe, mich eins mit der
Welt zu fühlen.«
    Er lächelt. »Warum bist du nicht einfach eins mit dem,
was du magst?«
    Sie erwidert das Lächeln. »Ich könnte jetzt sagen,
das sei eine extrem negative Werte-Entscheidung. Aber ich weiß
nicht; einfach eins sein mit dem, was man an seinem Liebhaber mag.
Das hat wohl nicht sehr viel mit Liebe zu tun, aber ich glaube, du
wärst dazu imstande.«
    »Nun, das ist eben meine Philosophie«, sagt er.
»Ist dir überhaupt klar, daß du zu den Leuten
gehörst, die es einem schon seit einigen Generationen
gründlich verleiden, in den USA Geschäfte zu machen? Du
hast sicher schon viele Dinge getan und dich für Dinge
engagiert, die ich verabscheue wie der Teufel das Weihwasser.
Richtig?«
    »Richtig.« Sie möchte sagen, daß es ihr leid
tut; dann wird sie wütend, weil es überhaupt nichts gibt,
wofür sie sich entschuldigen müßte, und kommt sich
schließlich blöd vor, weil er ja gar keine Entschuldigung
von ihr verlangt hat. Letztlich ist es ohnehin egal, denn er
erzählt einfach weiter.
    »Nun, meinetwegen kannst du ruhig darüber sprechen. Ich
mag die Art,

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