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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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bleigrauen Nimbuswolken verdeckt.
    Es muß sofort gehandelt werden. O’Hara schaltet eine
Konferenzschaltung und gibt den Befehl heraus; er hat ihn so
formuliert, daß er, was auch immer geschieht, vor Gericht die
ganze Verantwortung dafür übernehmen wird.
    Wenn eine gut ausgebildete Truppe einen rein militärischen
Befehl erhält, führt sie ihn auch aus. Binnen einer halben
Stunde sind vier strategisch wichtige Hochhäuser in der Hand der
UN-Truppen, was jedoch mit dem Tod von über zweihundert Geiseln
erkauft wurde. Die Söldner sind in den Gebäuden gefangen,
und die UN sind in der besseren Position. Noch eine Stunde, und die
Insel ist befriedet.
    Viele Australier und Neuseeländer werden für den Rest
ihres Lebens von den Frauen träumen, die sie mit ihren
Maschinengewehren in Stücke geschossen haben, um die schreienden
neunzehnjährigen Jungen hinter ihnen zu töten.
    Von nun an wird die Evakuierung zügig abgewickelt; die
vormaligen Beherrscher der Insel und ihre Handlanger werden
interniert – wobei sich zweifellos der eine oder andere
unschuldige männliche Sklave oder Gefangene unter ihnen
befindet, denn die Soldaten sondern alle Männer, die eindeutig
der Pubertät entwachsen sind, aus und sammeln sie an einem Ende
der Insel. Man kann davon ausgehen, daß etwa fünf Prozent
– vielleicht 150 – der 3000 internierten Männer
unschuldig sind. Mit solchen Marginalien belastet O’Hara sich
indessen nicht.
    In der Zwischenzeit werden die Frauen und Kinder so schnell wie
möglich über die Pontonbrücken zu den
Transportschiffen geleitet. Ohne Zweifel sind auch einige
Aufseherinnen unter den Frauen, aber nicht sehr viele, und es ist
durchaus möglich, daß sie unterwegs der Lynchjustiz durch
die anderen Frauen zum Opfer fallen.
    Mit zunehmender Befriedigung registriert O’Hara die
eingehenden Nachrichten; nicht einmal die Meldung von Oberst Park,
daß die Marines durchgebrochen sind, Majuro genommen haben und
die Flüchtlinge schnell evakuieren, hat diesen Stellenwert.
Schließlich läßt er die Kamera die letzten Minuten
von Ebeye einfangen.
    Die männlichen Gefangenen warten geduldig darauf, an Bord der
Schiffe zu gehen. Wie O’Hara erwartet hatte, werden sie unruhig,
als sie sehen, daß die Pontonbrücken abgebaut werden, und
dann geraten sie in Wallung, als ob sie zur letzten Brücke
rennen wollten, bis ihnen klar wird, daß auch diese abgebaut
wird.
    Nun verkünden die Lautsprecher, daß andere
Vorbereitungen getroffen wurden, und einige Männer verharren
zögernd; diejenigen, die dennoch auf die Brücke zulaufen,
werden mit Schlagstöcken und Tränengas empfangen, und nun
scheinen sie es auch verstanden zu haben. Sie stehen niedergeschlagen
und unschlüssig herum.
    Fasziniert schaut O’Hara zu; was eine Waffe doch alles
bewirkt. Die meisten dieser Männer haben gegen Bezahlung
getötet, viele zum Vergnügen, und noch vor vier Stunden
waren fast alle stolze Kämpfer. Nun fällt auf, daß
nur wenige älter als fünfundzwanzig sind, viele haben
Übergewicht und sind aufgeschwemmt, manche haben anscheinend
Tuberkulose, als Spätfolge von Unterernährung in der
Kindheit oder vielleicht angeborener Syphilis. Sie hatten wie
Barbaren ausgesehen, hinter ihren Gewehren und von Sklaven umgeben,
und sie hatten sich auch so verhalten; traurigere Gestalten wie diese
hat O’Hara indes noch nie gesehen. Streiflichtartig fragt er
sich, wann diese Verwandlung wohl eingetreten sein mag, als sie die
Waffen oder die Sklaven verloren hatten… und mit Unbehagen fragt
er sich, ob er sich auch verändern wird, wenn er nicht mehr
über Kriegsschiffe und Matrosen gebietet.
    Solche Fragen stellt man sich wohl nur dann, wenn man zu sensibel
für einen Beruf wie diesen ist, denkt er. Obwohl er stark
bezweifelt, daß man ihm für diese Aktion das Prädikat
›sensibel‹ verleihen wird, sofern man ihm nicht
überhaupt Wahnsinn attestiert.
    Erst als die wartenden Männer sehen, daß die
Wachmannschaft an Bord der letzten beiden Staticopter geht,
geraten sie in Panik; als die Rotoren sich drehen, stürmen sie
los, aber die letzten Männer, die den Staticopter besteigen, eröffnen ohne Warnung das Feuer aus
Maschinenpistolen, und als die erste Reihe zu Boden sinkt, bleibt die
Menge stehen.
    O’Hara hatte darum gebeten, eine Kamera vor Ort zu belassen,
und nun schaltet er zu dieser um, betrachtet die panischen
Männer, von denen fast keiner Rücksicht auf die am Boden
liegenden Verwundeten nimmt und die durcheinanderreden, was

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