Die Mutter aller Stürme
nicht geben müssen, aber er wird ihn
ausführen, wenn es sein muß.
Will kommt das Ganze irgendwie irreal vor. Er ist schon ein
paarmal mit der Fähre rübergefahren, um sich ein
Fußballspiel anzuschauen oder mit Freunden einen zu trinken und
rumzuhuren. Erst im letzten Jahr hat er dort Urlaub gemacht. Nun
sitzt er hier in seinem Staticopter und hat die Fähre auf
dem Radarschirm. Sie ist mit Holländern und Belgiern beladen,
und das arme Vereinigte Königreich hat es auch böse
erwischt. Sicher, die Kameraden in Brüssel sagen, wir
müßten sie aufnehmen. Aber man schaue doch mal, wo
Brüssel liegt. So ein Zufall… Sicher sind auch Kinder auf
dem Kahn. Und Frauen. Wirklich eine Schande. Er wartet auf
Befehle.
Paul-Luc sitzt in seinem Wachhäuschen und wartet; er und
seine Kameraden haben sich mit den belgischen Mädchen
vergnügt. Sie haben gehört, wenn man das täte, worauf
die französischen Soldaten hier stehen, würden sie einen
irgendwie rausschmuggeln. Paul-Luc, Jean und Marc haben die
Gefälligkeiten angenommen, die Mädchen in den Wald
geführt und ihnen danach die Garrotte angelegt. Es war wie XV,
nur besser.
Marc indes war etwas blaß… und Paul-Luc und Jean sind
zu dem Schluß gekommen, daß es vielleicht nicht nur die
Mädchen sind, die zum Schweigen gebracht werden müssen.
Wenn schon das Ende der Welt gekommen ist, soll man sich
wenigstens noch mal amüsieren, richtig?
Richtig, sagt Will sich und schießt die Rakete auf die
überfüllte Fähre ab – zum Glück befindet sie
sich hinter dem Horizont, und es ist dunkel, so daß er die
Flammen und Leichen nie sehen wird.
Richtig, denkt Horst, und zu seiner eigenen Überraschung
wirft er das Gewehr weg und desertiert. Es ficht ihn wenig an, als er
verhaftet wird. Jeder Narr sieht, daß es vorbei ist.
Klieg zuckt die Achseln und macht sich wieder ein amerikanisches
Bier auf. Drei pro Tag sind sein Limit. Er fragt sich, welcher
Qualifikation es für einen Idioten oder Politiker bedürfe.
Vor einer halben Generation haben die Europäer das Problem ihrer
Vereinigung so gelöst, indem sie sich zusammenrotteten und jeden
verfolgte, der ihnen nicht weiß genug war. In Kliegs Augen
waren sie mindestens so dumm wie Hitler in bezug auf die Juden. GateTech beschäftigt mindestens hundert integre,
fähige Afropäer.
Er betrachtet die Ereignisse in Europa und erinnert sich daran,
wie schön es dort ist, aber Mitgefühl überkommt ihn
indes nicht. Vor zwanzig Jahren galten die Afropäer als
Saboteure der europäischen Einheit, fünf Jahre später
waren es Türken und Serben, und nun sind es für den
Durchschnittsdeutschen die Franzosen, Polen und Italiener – wenn
nicht gar die Bayern.
Wo sie jetzt zusammenstehen müßten, gehen sie sich an
die Kehle.
Auf einem Bildschirm wird eine Szene aus Kopenhagen eingeblendet;
er vergrößert die Darstellung und erhöht die
Lautstärke. Eine Gruppe aus deutschen und polnischen
Motorbootfahrern sind an Land gewatet und töten Frauen und
Mädchen, vorzugsweise Blondinen. Zuerst zwingen sie sie mit
vorgehaltener Waffe, sich zu entkleiden, schießen sie nieder
und filmen ihren Todeskampf. Niemand weiß warum.
Truppen werden von den Evakuierungspunkten abgezogen, und wegen
der durch Panik verursachten Verkehrsstaus werden noch weniger
Dänen aus der Stadt entkommen.
Nach einigem Nachdenken fallen Klieg die Namen von vier deutschen
Firmen ein, die Todespornos vertreiben; er greift zum Telefon und
erwirbt von allen vier Firmen Aktien. Die Aussichten stehen
ausgesprochen gut, daß er einen Glücksgriff getan hat; es
wird sicher jemand bereit sein, gutes Geld dafür zu zahlen,
schöne Frauen, insbesondere Blondinen, qualvoll sterben zu
sehen.
Ihm schaudert, als er an Glinda und Derry denkt, aber er nimmt den
Auftrag nicht zurück. Er braucht Geld, so oder so. Dann
transferiert er seine CD-Konten in die USA.
Eine Stunde später nimmt ›Clem 239‹ Kurs auf die
Ostsee. John Klieg sagt Derry, sie solle seine Tasche packen und mit
ihrer Mutter im Schlafzimmer bleiben. Es hat keinen Zweck,
irgendwelche Risiken einzugehen.
Derry tut wie geheißen und stellt ihm auch keine Fragen. Ein
paar Minuten vor der Abreise schickt er noch eine kurze Anweisung an
sein Hauspersonal; das tut er immer, bevor er zu Bett geht.
Diesmal jedoch setzt eine ›Makro-Programmierung‹ eine
ganze Abfolge von Ereignissen in Gang; Künstliche Intelligenzen
rufen bei Regierungsstellen und Redaktionen an und lassen ihre
Ansagetexte ablaufen, ohne
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