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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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darstellen. Weiterhin ist die Gefahr gebannt, daß Alaska
von den Sibirern angegriffen oder zu einer Allianz mit ihnen
verleitet wird; solange die Hardshaw-Doktrin, wonach kein ehemaliges
amerikanisches Territorium ein Bündnis mit einer asiatischen
oder europäischen Macht schließen darf, Bestand hat, wird
Alaska ungeachtet seines offiziellen Status ein Teil der USA
bleiben.
    Weil es sich bei dieser Aktion zudem um eine rein amerikanische
Militäraktion gehandelt hat, die nicht auf Ersuchen der UN
erfolgte (Diem hat Rivera für die Lösung des
Abdulkashim-Problems das Versprechen abgetrotzt, daß die UN die
USA weder mit Sanktionen belegen noch verurteilen), ist ein
Präzedenzfall für einseitige amerikanische Aktionen
geschaffen worden. Dies stellt einen Ausbau der durch Louie Tynans
Mission geschaffenen Tatsachen dar. Das anfangs gültige Prinzip,
wonach die UN und die USA die Mission gemeinsam leiteten, so
daß Oberst Tynan sich sagen konnte, die Befehle eines
amerikanischen Kommandeurs zu befolgen, ist nun außer Kraft.
Die USA kontrollieren die Mission allein, ohne daß der
Generalsekretär ein Mitspracherecht hätte. Stück
für Stück wird die in den Jahren nach dem Blitz verlorene Souveränität wiedererlangt, und wenn
›Clem‹ und seine Ableger der Preis sind, der dafür zu
entrichten ist, dann wird Harris Diem ihn zahlen. Er hat nämlich
sein ganzes Leben der Aufgabe gewidmet, jede von Brittany Lynn
Hardshaw geleitete Organisation zu stärken, angefangen beim
Büro des Staatsanwalts in Shoshone County.
    Seine Chefin indes ist weniger begeistert. »Zum einen,
Harris, wenn es Ihnen noch nicht aufgefallen ist, die Super-Hurrikane
und ihre Nachwirkungen fordern jede Woche noch immer über eine
Million Menschenleben. Wenn im Winter Hungersnöte und
Krankheiten ausbrechen, wird diese Zahl noch steigen. Und obwohl
Abdulkashim nicht mehr seine Pfoten auf dem Weltraumzentrum von GateTech hat, wird es noch immer von der sibirischen Armee
kontrolliert und ist obendrein bei den Kämpfen beschädigt
worden – und wir können nicht einmal Ingenieure
hinschicken, um das Ausmaß der Schäden zu
ermitteln. Jetzt hängt alles von Louie Tynan ab.«
    »Da wird nichts schiefgehen, er ist ein guter Mann.«
    »Es ist schon alles schiefgegangen, wenn die Zukunft
des Planeten von einem einzigen Menschen abhängt, egal wie
intelligent er ist oder welche Kapazitäten er sich
zusätzlich verschafft hat!«
    Nachdem Diem das Oval Office verlassen hat, schüttelt er den
Kopf. Es ist eine Schande, daß die Chefin nach all den Jahren
weich wird; vielleicht hat sie kein Interesse mehr an Machtpolitik.
Vielleicht ist sie auch von dieser seltsamen Krankheit befallen
worden, der Geschichte ihren Stempel aufdrücken zu wollen. Diese
Ambitionen hatten auch schon frühere Präsidenten gehegt,
und in den allerwenigsten Fällen hat sich das zum Wohle des
Landes ausgewirkt.
    Aber in einer Hinsicht ist sie noch immer die alte, und
außerdem sind ihre Bedenken berechtigt. Der Einfluß der
USA muß dahingehend geltend gemacht werden, Klieg aus dem
Gefängnis in Novokuznetsk zu befreien; es ist ganz
offensichtlich, daß er Hardshaws und Riveras Informant war und
sie über den Zeitpunkt der Befreiung von Abdulkashim informiert
hat. Er ist in einem Gefängnis dieses Landes nicht sicher, und
es würde auch nicht gut aussehen, wenn ihm etwas zustieße
– wenn man in einem solchen Spiel Freunde haben will, muß
man die Freunde schützen, die man schon hat.
     
    Als Carla Tynan die Nachricht von Louie erhält, erkennt sie
zwar, daß sie sich von den früheren unterscheidet,
weiß aber nicht auf Anhieb, worin. Es ist eine lange
Mitteilung, angefüllt mit süßen und wehmütigen,
lebendigen und entrückten, lustigen und düsteren
Erinnerungen. Es ist der schönste Liebesbrief, den sie jemals
bekommen hat, und doch ist er offenbar nur eine Einleitung.
    Dann begreift sie, was er getan hat; diesen schönen Brief hat
sie von einem Toten bekommen.
    Sie denkt an ihren warmen, gut trainierten Körper, der
lebendig und gesund in einem Hotelbett in Guadalcanal liegt und
daran, daß Louie Tynan sie nun nie mehr berühren und im
Arm halten wird. Sie erinnert sich an das Gefühl, als er bei
ihrer ersten Verabredung den rechten Arm gegen ihren Schenkel stemmte
und sie an einem Arm hochhob, nur um ihr zu zeigen, daß er es
konnte. Sie erinnert sich an seinen warmen Atem an ihrem Hals, wenn
er einschlief und sie als Kissen benutzte. Sie erinnert sich, wie sie
ihm über

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