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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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mir das locker über die Lippen
kommt.«
    »Macht nichts, für den Anfang schon ganz gut. Nun,
schauen wir mal. Ich erinnere mich, daß Sie mir erzählt
haben, Derry sei ein richtiger Wildfang, der eine Vorliebe für
›erwachsene‹ Dinge wie Restaurant- und Theaterbesuche
hätte und empfindlich reagierte, wenn Sie ihr gegenüber ein
Versprechen nicht einhalten. Wird sie meine Anwesenheit beim Essen
nun als gebrochenes oder nur als verletztes Versprechen
werten?«
    »Ha«, meint Glinda und lehnt sich nachdenklich
zurück. Bedenke, auch wenn ihm die Firma gehört, er
steht nur eine Stufe über dir. Betrachte es so, daß der
Angestellte I mit der Angestellten II verabredet ist. »Derry möchte, daß ich öfter ausgehe. Und wenn sie
dann noch sieht, daß es ein attraktiver älterer Mann mit
Geld ist, wird sie ganz hingerissen sein. XV hat ihr alle
möglichen Klischees vermittelt, obwohl sie nur die
Familiensendungen sehen darf. Aber selbst in denen wird die ganze
Romantik etwas überbetont.«
    »Keine Witze«, sagt der Chef – John, verdammt. Der trotz seiner Größe handliche Chevy Mag Cruiser
nimmt nun die Auffahrt auf den Highway und folgt ihm bis zum Premium
Skyway. Der Blick über das Kap auf den Atlantik hinaus ist
unverändert – Bäume und Sand bis hinunter zum Wasser.
Sie erinnert sich, daß, als sie mit ihrem Ex-Mann zum erstenmal
hierherkam, ihnen die Szenerie nach all den Jahren in Wisconsin so
exotisch vorkam.
    »Die Romantik ist definitiv überbetont«, findet
jetzt auch John, wobei er vermutlich hofft, die Unterhaltung
wiederzubeleben. Glinda wird aus ihren Gedanken gerissen.
»Andererseits gefällt es mir, daß es sie
gibt.«
    »Ja, genau«, bestätigt Glinda emphatisch. »Und
nach wie vor glaube ich daran.« Genau. Das verdammte
Wisconsin meldet sich zurück; wenigstens hat sie nicht gesagt
›darauf können Sie sich verlassen‹. »Aber ich
möchte, daß Derry noch ein paar Jahre damit wartet. Sie
hat dann immer noch sechzig oder siebzig Jahre Zeit. Und
außerdem glaube ich nicht, daß es einem kleinen
Mädchen frommt, sich für die… äh…
Verabredungen einer erwachsenen Frau zu interessieren.«
    John nickt beifällig. »Nur aus Neugier und weil ich
völlig unsicher bin, wie groß ist ihr Interesse letzthin
denn gewesen?«
    »Nun, in den letzten zwei Jahren hat überhaupt keines
bestanden.« Sie müssen beide darüber lachen.
»Gut, vielleicht gibt es ja Grund zur Sorge, aber ein
elfjähriges Kind sollte eigentlich keinen Anlaß zur
Besorgnis geben. Wie lange ist es denn bei Ihnen her?«
    Klieg zuckt die Schultern. »Oh, sieben oder acht Jahre, je
nachdem, was man dazuzählt. Eine Zeitlang war ich Abonnent bei
einem Romantik-Service, wenn Ihnen das etwas sagt… aber in den
letzten paar Jahren habe ich nicht einmal mehr das getan.«
    Die Bezeichnung ›Romantik-Service‹ ist nicht ganz so
euphemistisch wie der frühere ›Begleit-Service‹, aber
sie ist auch nicht weit davon entfernt. Die garantierte Leistung des
Romantik-Service besteht darin, daß eine feste Anzahl
attraktiver Frauen – der Klient definiert ›attraktiv‹
selbst, wobei diese Definition jedoch nichts mit der Sorte Frau
gemein haben muß, die der Klient wirklich favorisiert –
sich dem Kunden romantisch nähert, irgendwo draußen in der
Öffentlichkeit, freundlich und interessiert tut und mindestens
fünf Verabredungen mit ihm trifft.
    Solange er keine Fragen stellt, wird er theoretisch nie erfahren,
ob er wirklich Glück hatte oder ob lediglich der Service
funktionierte. In der Praxis indessen kann ein dickbäuchiger
Geschäftsmann in mittlerem Alter durchaus erkennen, ob die
Mädchen um die Zwanzig, die ihn in Bars oder im Park ansprechen,
von der Agentur kommen, falls er den Realitätsbezug nicht
völlig verloren hat. »Was haben Sie denn«, erkundigt
sie sich vorsichtig, »beim Romantik-Service geordert?«
    »Alles«, berichtet er. »Sie hatten eine Art
Zufallsauswahl, bei der die Namen auf gut Glück eingegeben
wurden. Das Problem ist nur, daß ich nicht fähig bin,
jemanden, der mich wirklich mag, von jemandem zu unterscheiden, der
nur vorgibt, mich zu mögen. Ich war enttäuscht, als sie
nicht mehr als fünf Verabredungen mit mir treffen
wollten.«
    »Aber sie müssen Sie doch…«, Glinda wollte
schon sagen: »um Geld angegangen haben«, aber dann erkannte
sie, daß das nicht der Fall gewesen wäre, solange er
keinen Sex mit ihnen haben wollte.
    »Ja, sicher, viele von ihnen waren nur Huren, aber es dauerte
nicht

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