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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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und
läßt die Hände immer dicht am Steuer, und die
Füße bleiben ständig am Bremspedal –, schaut sie
von der Seite her an und sagt: »Ich gestehe Ihnen das nur
höchst ungern, aber Ihr Chef hat nicht einen Hauch von Klasse.
Ich bin in jeder Hinsicht ein Kind des zwanzigsten Jahrhunderts, nur
nicht im Geschäftsleben.«
    »Was sogar die Verwendung altmodischer Ausdrücke wie
›solide‹ einschließt«, kommentiert Glinda, zieht
die Beine an und dreht sich auf dem Sitz in seine Richtung. Sie hat
schon immer gewußt, daß er charaktervoll, nett und
rücksichtsvoll ist, nun aber begreift sie allmählich auch,
daß er ihr gegenüber viel aufmerksamer gewesen ist als
umgekehrt.
    »Vor allem die Verwendung altmodischer Ausdrücke wie
›solide‹«, konzediert Klieg. »Ich habe mich
zurückhalten müssen, um nicht ›Stein‹ zu sagen.
Ich hatte für meine Hochschulzeitung Leitartikel verfaßt,
in denen ich Dan Quayle verteidigte. Was nun diese Ihre Tochter
betrifft – müssen wir sie in ein
Wasserschlößchen ausführen, um sie glücklich zu
machen?«
    »Nur, wenn wir sie davon überzeugen wollen, daß es
uns ernst ist«, erwidert Glinda, »und ich kann noch immer
nicht glauben, daß dies kein Tagtraum ist. So, wie die Dinge
stehen, würde es ihr aber auch bei Shoney’s gefallen.«
    »Ein bizarrer Vorschlag – oben anfangen und unten
aufhören? Vielleicht in einem Cafe zu Mittag essen, und dann
ihre Reitstunde – vielleicht könnten wir solange etwas
trinken und uns unterhalten? –, dann Abendessen bei Shoney’s und zum Abschluß alle drei ins Kino? Mit
der Option, unter der Popcorntüte versteckt Händchen zu
halten?«
    »Ich glaube, das ist eine Option«, sagt Glinda,
»sofern es sich entweder um einen Horror- oder Science
Fiction-Film handelt.«
    »Sind das Derrys Präferenzen?«
    »Nicht ihre, sondern meine«, stellt Glinda richtig.
»Das Leben ist schon langweilig und trostlos genug. Wenn ich ins
Kino gehe, dann will ich etwas sehen, das richtig gruselig ist oder
mich in höhere Sphären entführt.«
    John Klieg mustert sie intensiv. »Teufel, wenn man Sie, sagen
wir, sechzehn oder siebzehn Jahre kennt, könnte man noch auf den
Gedanken kommen, Sie hätten einen ausgeprägten Sinn
für Humor.«
    Sie lächelt ihn an; sie versteht ihn schon richtig.
»Woher kommen Sie denn, John?«
    »Aus einer kleinen Stadt, von der Sie wohl noch nie
gehört haben – Winona, Minnesota. Im Südosten des
Bundesstaates, am Grenzfluß zu Wisconsin.«
    Eine Stunde Fahrt von dem Ort, an dem Glinda aufwuchs. Vielleicht
kann sie ihr ›Darauf kannst du wetten‹ doch noch
anbringen.
     
    Zum erstenmal seit mehreren Monaten ist Louie Tynan wieder
beschäftigt, und er weiß nicht, ob er sich darüber
freuen soll oder nicht. Sie haben vier Satelliten hochgeschossen, die
in einen Polorbit gegangen sind und relativ zu seiner im
Äquatorialorbit befindlichen Raumstation mindestens sieben oder
achtmal pro Tag hinter dem Planeten verschwinden und wieder
auftauchen. Immer, wenn das geschieht, zu einem präzise
berechneten Zeitpunkt, sendet der Satellit einen Laserimpuls aus, der
die Erdatmosphäre in unterschiedlicher Höhe durchdringt und
dann zwecks Spektralanalyse von der Station aufgefangen wird.
Frequenzen und Kapazitäten der zirka dreißig Laser, von
denen diese Pulse ausgehen, sind bekannt; wenn das Licht nur durch
ein Vakuum reisen würde, könnte man die Relation zwischen
Leistung und Frequenz des Lasers mit einer Genauigkeit von acht
Stellen hinter dem Komma ermitteln. Doch obwohl die Luft schon
transparent ist, ist sie nicht völlig transparent; sie
ist kleineren Schwankungen unterworfen (man betrachte nur das
Flimmern über einer sommerlich heißen Straße), und
manche dieser Schwankungen wirken sich auf die Wellenlänge aus
(zum Beispiel ein Sonnenuntergang).
    Anstatt also den theoretischen Werten für die
Frequenz/Leistung-Relation zu entsprechen, wird das von Louie Tynans
›Kamera‹, wie er das Gerät bezeichnet, aufgefangene
Laserlicht im Verlauf der Passage durch die Atmosphäre gestreut,
und der Betrag dieser Abweichung vom Sollwert dient der Bodenstation
als Indikator für die Methanmenge.
    Louies Aufgabe besteht nun darin, den ganzen Tag die
Stromversorgung eines ferngesteuerten Manipulators zu
gewährleisten, eines kleinen, greiferbestückten Traktors
mit Kettenfahrwerk, der auf der Außenhülle der Station
herumfährt, die Spektralkamera aus der Halterung zu nehmen, sie
in der Luftschleuse zu deponieren, sie

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