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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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lange, bis ich sie identifizieren konnte – sie kamen
nämlich gleich auf Sex zu sprechen, kaum daß ich die
Wagentür geschlossen hatte. Aber sie waren nur eine Minderheit.
Es ist nämlich so, daß viele junge Frauen bei diesen
Agenturen arbeiten. Die Hochschulen produzieren viel mehr
Absolventen, als die Unternehmen einstellen können; die
Mittelschicht ist eben zu kinderreich, als daß alle einen
adäquaten Arbeitsplatz bekommen könnten. Also hoffen viele
intelligente, hübsche junge Frauen aus gutem Hause, eine Stelle
bei einem Romantik-Service zu bekommen, weil sie dort nicht nur ihren
Lebensunterhalt verdienen, sondern auch Männer mit Geld treffen.
Und wenn sie dann einen finden, der ihnen gefällt, gibt es
keinen Grund, weshalb sie sich nicht mit ihm verabreden sollten, wenn
sie das möchten. Ich war ungefähr ein Jahr mit einer
solchen Frau zusammen, aber« – er seufzt – »sie
hat sich dann doch für einen anderen Typen – einen
mittellosen Künstler ungefähr in ihrem Alter –
entschieden. Ich mache ihr deswegen aber keinen Vorwurf.«
    Glinda wählt die nächsten Worte sorgfältig.
»Es ist wirklich bedauerlich, daß das alles ist, was eine
junge Frau aus sich machen kann.«
    »Oh, sie könnten sich auch irgendwo als Kellnerinnen
oder Sekretärinnen verdingen«, meint Klieg. »Das
Problem ist nur, daß sehr viele Leute glauben, sie könnten
mit ihrem guten Aussehen Geld verdienen.«
    »Nun, das stimmt ja auch.«
    »Richtig«, konzediert er, »aber die meisten
verdrängen den Preis, der für ein solches Gewerbe zu
entrichten ist. Wie dem auch sei, ich wurde dessen
überdrüssig und habe das Abonnement gekündigt. Wen man
auf diese Art treffen konnte, waren – außer Huren –
junge Frauen, die es verstanden, sich herauszuputzen und Geld
auszugeben. Gut als Dekoration oder für ausgiebige
Bestandsaufnahmen ihrer Befindlichkeit, mehr aber auch nicht. Die
meisten von ihnen hatten an der Hochschule anscheinend nur wenige
Vorlesungen belegt oder erinnerten sich zumindest nicht mehr
daran.« Klieg seufzt. »Aber, egal… zurück zum
aktuellen Fall. Ich habe mir überlegt, nun, wenn Sie mich nicht
mögen, kann ich Sie immer noch bestechen, in der Firma zu
bleiben, denn ich brauche Sie als Mitarbeiterin. Und wenn doch…
nun, ich mag Sie jedenfalls, aus dem einen oder anderen Grund, und
mir ist plötzlich bewußt geworden, daß ich nur noch
im Geschäftsleben Risiken eingehe. Vielleicht sollte ich auch im
privaten Bereich mal wieder etwas wagen.«
    Diese Worte entlocken Glinda ein Lächeln. »Wie
fühlen Sie sich jetzt?«
    »Ich schwanke zwischen ängstlich und glücklich.
Aber sagen Sie, kennen Sie ein Restaurant, wo man gut essen kann.
Oder eines, das Derry gefällt, falls eure Geschmäcker nicht
kompatibel sind?«
    Sie wedelt mit dem Finger vor seinem Gesicht herum. »Ach so,
wenn die Phantasien dieses Kindes Wirklichkeit werden sollen, dann
müssen Sie mich in ein perfektes kleines Cafe ausführen,
das drei spezielle Gerichte serviert, die nur Sie kennen, und wo
jeder Sie beim Vornamen nennt.«
    »Nun… es gibt einen Ort, wo jeder meinen Vornamen kennt.
Ich esse fast täglich dort. Aber ich würde nicht sagen,
daß es spezielle Gerichte serviert, jedenfalls keine, die mir
bekannt wären.«
    »Wirklich?«
    »Ja, und es ist im Grunde auch kein perfektes Cafe,
sondern… äh… es ist ein Shoney’s. Sie
wissen dort nicht, daß ich der Präsident von GateTech bin, aber trotzdem kennt mich jeder.«
    Glinda schaut ihn mit offenem Mund an. »Sie essen bei Shoney’s? Warum?«
    »Nun, nicht bei irgendeinem Shoney’s, sondern nur
bei diesem. Und ich habe drei gute Gründe dafür. Zum
ersten, früher bin ich viel gereist und hatte aus unerfindlichen
Gründen immer Glück mit dieser Kette – und wenn man
die sechste Fünfhundert-Kilometer-Etappe in Folge vor sich hat,
freut man sich auf etwas wirklich Berechenbares. Also bin ich dabei
geblieben – ich finde diesen Ort sehr behaglich. Zum zweiten
entwickelt sich eine Eigendynamik. Wenn man öfter dasselbe
Restaurant besucht und die Leute einen dann kennen, wird man
freundlich bedient und zuvorkommend behandelt.«
    Danach entsteht eine lange Pause.
    »Und welcher ist der dritte Grund?« fragt Glinda.
    »Ich mag das Essen.«
    Das nun folgende Gelächter ist mehr durch die durchbrochene
Spannung bedingt als durch den schlappen Scherz. John Klieg lehnt
sich weiter zurück – er ist zu alt, als daß er der
automatischen Fahrzeugsteuerung vertrauen würde

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