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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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Verteidigung
immer wirkungsvoller wurde, tauchten Viren auf, welche die
Defensivmaßnahmen nun unterliefen – die Wissenschaftler
bezeichneten dies als ›Maschinen-AIDS‹ –, und die
daraufhin zum Schutz der Verteidigungseinrichtungen konzipierte
Software mutierte und griff einfach alles an, was sich in ihrer
Reichweite befand – aus irgendeinem unerfindlichen Grund
bezeichnete ein alter Wissenschaftler dieses Phänomen als
›Industrielles ARTS‹. Und wirklich existierte ein
›gesundheitliches Problem‹ – die meisten Maschinen
waren nicht optimal eingestellt, denn ihr Betriebssystem war
mittlerweile zu umfangreich und komplex geworden.
    Da zudem jeder Roboter Zugang zur Software seiner Kameraden hatte,
waren binnen kürzester Zeit einige Gruppen von kannibalischen
Sklavenhaltern draußen in der ›Arena‹ und traten
gegeneinander an, wobei sie jedoch fast nichts förderten; alle
Einheiten waren mit Maschinen-AIDS und Industriellem ARTS infiziert
und verbreiteten diese Krankheiten weiter.
    Die Lage eskalierte, als zwei der führenden Gruppen die
anderen auslöschten (sie fraßen und konvertierten sie),
sich verbündeten und zur Mondbasis zurückkehrten, um den
›49er-Laden‹ zu stürmen; die Kaufleute sahen sie
anrücken, kopierten die erforderliche Software und trugen vor
den Augen der faszinierten Cybernetiker auf der Mondebene eine
nachgerade epische Schlacht aus.
    Dann erschien ein Replikator-Kundschafter, der für
Untersuchungen und Tests abgestellt worden war, mit einem Teil einer
Sonnenwind-Meßstation in seinen Eingeweiden. Wie eine schnelle
Überprüfung erbrachte, hatte das ganze System ein so hohes
Intelligenzniveau erreicht, daß es aufgrund des als solchen
erkannten Verbotes, andere von Menschen produzierte Objekte zu
konsumieren, die Förderung wichtiger Metalle eingestellt und es
geschafft hatte, besagtes Verbot durch die Kontamination des
Defensivprogramms des Hauptsystems mit Industriellem ARTS zu
umgehen.
    Nur wenige Stunden bevor er vielleicht noch über die
Mondbasis selbst hergefallen wäre, legten sie ihm das Handwerk;
andernfalls hätte er alles vernichtet außer sich selbst
und dann den Mond mit robotischem Ungeziefer überschwemmt.
    Als Louie sich nun dem Ort der großen Schlacht nähert,
sieht er die alte Nummer N743P, den kaufmännischen Leiter, noch
dort sitzen, wo er bei der Desaktivierung des Systems erstarrt
war, flankiert von Dutzenden Sklaven mit leeren Trichtern. Irgendein
Witzbold hat die Insignien der Vereinigten Linken auf die Sklaven
gepinselt und sie kreisförmig angeordnet, als ob sie sich als
Streikposten vor N743P aufgestellt hätten.
    Beiläufig fragt Louie sich, ob es nicht sinnvoller wäre,
sie alle wieder zu aktivieren und auf das leckere Metall drüben
in der Basis der Franzosen anzusetzen – aber nein, das wäre
kindisch, und außerdem mag er die französischen
Astronauten, die in der Raumstation arbeiten. Es ist kaum ihre
Schuld, daß die USA bei der Raumfahrt nicht mithalten
können, und zudem ist Frankreich die letzte Bastion eines
rudimentären Liberalismus in Europa; viele von ihnen brennen
geradezu darauf, Louie oder jemand anderem mitzuteilen, daß sie
sich am liebsten von Brüssel lossagen würden und daß
sie die Ausweisung ablehnten.
    Er kniet sich hin und läßt den Blick über die
Ebene schweifen; N743P unterscheidet sich nicht von den anderen
Robotern (abgesehen von seiner Beschriftung). Zumindest hatten sie
noch keine verdächtigen Spuren entdeckt, obwohl dieser Kamerad
anscheinend gerade seinen Einstieg ins Termingeschäft
plante.
    Plötzlich hallt das Echo eines lauten ›Ping‹ durch
die Stille des lunaren Tages, und ihm wird klar, daß er sich
nun wieder um die Obliegenheiten in der Station kümmern
muß. Einen Moment wähnt er, ein großer,
stachelbewehrter Roboter würde ihn am Kopf kratzen…
    Und dann ist er wieder in der Station und legt das Haarnetz, die
Handschuhe und die Brille ab. Einen Augenblick hat er eine Vision von
einem Roboter auf dem Mond, der sich zunächst abrupt und dann
sehr langsam und vorsichtig erhebt, ganz ohne die Präzision, mit
der er agieren würde, stünde er unter der Kontrolle eines
Menschen, dann an seinen Platz in der Höhle zurückgeht,
wobei er den bedächtigen, schweren Schritt eines Monsters von
Harryhausen imitiert. Vielleicht benötigt er den Rest des Tages
für den Heimweg, aber was soll’s, er hat ja alle Zeit
dieser Welt…
    Was sonst auch für Louie gilt, heute jedoch nicht. Er hangelt
sich an

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