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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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oder zwei Wochen sehr
bescheidenen Ruhmes und genügend Bares, damit sie wieder
für ein paar Monate aus dem Schneider ist –, aber andere
Dinge erweisen sich vielleicht als Knüller. Es ist ein Wettlauf
gegen die Zeit, aber was ist das schon nicht?
    Sie macht sich Notizen und bereitet sich gedanklich auf das
Interview vor. Sie hofft nur, daß all die Reporter, die sich
das Überschallflugzeug leisten können, nicht schon vor ihr
bei Callare eingetroffen sind, aber sie bezweifelt das; mit Ausnahme
von Haynes sind alle Reporter letzte Woche schon aus Barrow
abgereist, weswegen sie sich auch so allein gefühlt hat. Berlina
hatte die Rolle eines ›Reporterkükens‹ wirklich
genossen – sie war sich dabei wie Jimmy Olsen vorgekommen. Oh,
vielleicht wird auch sie eines Tages einen Fanclub haben…
außerdem erkennt sie jetzt, daß viele Reporter auch die
Aufmerksamkeit genossen hatten, die ihnen von ihr entgegengebracht
worden war.
    Sie hat noch so viel organisatorische Arbeit zu erledigen,
daß sie richtig erschrickt, als das akustische Signal sie daran
erinnert, Diogenes Callare anzurufen.
    Zu ihrer großen Überraschung macht er einen
freundlichen und relativ offenen Eindruck. Wie sie weiß,
weichen seine Aussagen vordergründig fast nicht von den
Pressemeldungen ab; da der Mann jedoch ein geborener Dozent ist,
gleichen seine Ausführungen Mikro-Vorlesungen, und mit etwas
Kombinatorik wird ihr dann völlig klar, daß die glatte
Diktion der Pressemitteilung eine Menge wichtiger Aspekte
unterschlägt. »Dann ist es also ein Energie-Problem?«
fragt sie erneut, in der Hoffnung, daß er sich wiederholt und
ihr ein paar Hinweise gibt.
    Ihr Kalkül geht auf. »Nun, schauen Sie«, sagt er.
»Energie ist Arbeit, wie Sie sicher noch aus dem
Physikunterricht wissen. Und Arbeit ist Veränderung. Und wir
haben es hier mit großen Veränderungen zu tun. Sie
wären indes nicht so bedeutend, wenn die von der Erde
zurückgehaltene zusätzliche Energie sich
gleichmäßig verteilen würde, aber genau das ist der
Punkt. Wir haben ein dynamisches System. Ein Teil dieser Energie wird
sich irgendwo konzentrieren – und wenn das eintritt, werden sich
schwerwiegende Konsequenzen ergeben.«
    Das ist ein deutlicher Hinweis, besonders, wenn sie ihn mit den
paar Einlassungen diverser Amateure vergleicht, die behaupten, noch
gäbe es keinen Anlaß zur Besorgnis.
    Sie bedankt sich bei Di – wobei sie sich im Geiste erneut
beglückwünscht, daß sie sich so schnell schon mit
Vornamen anreden – und legt auf.
    Wenn Glinda Gray jetzt Mäuschen spielen könnte,
würde sie sich sicher selbst auf den Rücken klopfen. Wie
sie Klieg nämlich schon gesagt hat, würden die Medien heute
oder morgen Wind von dem ›entwendeten Brief‹ bekommen
– die Erkenntnis, daß die Bundesbehörden die
näherrückende Katastrophe ohne Umschweife eingestanden.
    Es ist an der Zeit, das Puzzle zusammenzufügen. Und wenn sie
ihre Geschichte auf eigene Faust veröffentlichen will,
könnte sie das ebenfalls tun. Und es spricht nichts dagegen
– außer dem finanziellen Risiko, ja, sonst aber überhaupt nichts –, sich selbständig zu machen.
Ben Franklin, I. F. Stone, Tris Coffin… sie kann es schaffen.
Sie denkt einen Moment darüber nach… Berlina Jamesons
Methan-Report… hört sich an wie ein Artikel über
Erdgas in der Postille eines Energieversorgungsunternehmens. Wie
Berlina belogen wird… auch nicht das Wahre; Der
Jameson-Bericht klingt zu schwülstig… was sie dem
potentiellen Leser sagen will, ist, daß sie einer Sache auf der
Spur ist; die Regierungsstellen fertigen sie zwar nicht wie einen
Deppen ab, aber dennoch verweigert man ihr die Antwort auf die eine
entscheidende Frage: Welche Konsequenzen werden sich daraus ergeben?
Warum bereitet sich scheinbar niemand darauf vor?
    Riecht es da etwa nach Gas?
    Auch nicht ganz richtig… sie berichtet über… Schnüffeleien.
    Das hat kein Format, sondern weist zu viel Ähnlichkeit mit
dem Neuen Journalismus auf, aus dem Bauch heraus wie Geraldo Rivera
und Sally Jessy, die geistigen Urheber von XV…
    Das bekümmert sie jedoch nicht. Sie hat gerade noch vier Tage
Kredit. Schnüffeleien sind es in der Tat – und es
ist auch kein schlechterer Titel als Scuttlebytes. Allein
schon mit dem komischen Aufhänger wird sie einige Leute
erreichen; jetzt muß sie den Bericht nur noch so interessant
ausgestalten, daß die Leute ein zweitesmal einschalten.
    Sie ergreift das Diktiergerät und das Notebook; das
Aufräumen

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