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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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»Ich habe schon
über hundert Starts erlebt«, kommentiert der Techniker
links von Redalsen, »und heute habe ich zum erstenmal kein
Startgeräusch gehört.«
    »Selbst wenn wir bei diesem Sturm die Luken öffneten,
würde der Lärm im Wind untergehen«, erklärt
Redalsen. »Sie könnte genauso gut für das Radar
unsichtbar sein. Wir bekommen sie kaum auf den Schirm, und dabei hat
sie nicht einmal einen Startwinkel von vierzig Grad.«
    »Ein seltsames Wolkenmuster erscheint auf dem Radar«,
meldet jemand. »Schaut euch mal den schwarzen Punkt hier
an…«
    »Der wird ›Auge‹ genannt«, sagt der
eintretende Crandall. »Haben Sie noch etwas für uns, Mr.
Redalsen, außer daß wir Ihre gigantische Bombe endlich
los sind?«
    »Keine Abweichung von der Computer-Simulation«, sagt
dieser mit einem Grinsen, »aber wir haben zumindest bewiesen,
daß wir auch bei weitaus schwererer See starten können,
als die Behörden uns erlauben.«
    Crandall gestattet sich ein Lächeln. »Ich hatte
eigentlich gedacht, Sie seien der Ansicht, eine vollgetankte Rakete
sollte eher fliegen als versenkt werden?«
    »Oh, wir haben sie versenkt, Skipper. Wir haben sie nur in
größerer Entfernung versenkt.«
    Das Lächeln wirkt fast menschlich. »Hervorragend. Ich
bin gekommen, um Ihnen zu sagen, was sich auf Ihrem Radar befindet
– dieses Ding wird uns nur streifen und ist trotzdem der
verheerendste Sturm, den wir je erlebt haben. Dieses Auge hat einen
Durchmesser von achtzig Grad, und nach offiziellen Schätzungen
beträgt die Windgeschwindigkeit am Rande des Auges
annähernd zweihundertzwanzig Knoten. Zum Glück erwischt er
uns nicht mit voller Wucht – er wird hier eine Stärke von
neunzehn bis zwanzig auf der Beaufort-Skala erreichen.«
    Die Beaufort-Skala ist ein Maßstab für
Sturmschäden und sonstige physikalische Effekte; sie wurde zum
Teil deswegen konzipiert, weil Leute in einem schweren Sturm in der
Regel keine Gelegenheit haben, Instrumente abzulesen. Beaufort-12
bedeutet Orkanstärke; im Moment herrscht Beaufort-8, und
normalerweise hätte Redalsen schon ab Beaufort-6 keinen Start
mehr durchgeführt. Redalsen stößt einen leisen Pfiff
aus. »Ich wette, Sie wollen, daß wir die Systeme aktiviert
lassen und die Daten für die NOAA aufzeichnen?«
    »Mir wäre es im Grunde egal, aber die NOAA möchte
es, und sie will es der NAOS auch vergüten. Und auf diese Art
werdet ihr auch keinen wertvollen Platz im Bunker unten im Riff mit
Beschlag belegen. Aber ich muß Sie darauf hinweisen, daß
diese Anlage nicht in einer typischen Wirbelsturmzone liegt und daher
höchstens für Beaufort-22 ausgelegt ist – reichlich
knapp, zumal die Prognose eine Toleranz von +/-5 Beaufort aufweist.
Wenn Sie also hierbleiben und die Bildschirme beobachten wollen, dann
werden die NOAA und die Firma das zu würdigen wissen – aber
es ist ein Risiko. Es gibt natürlich eine Gefahrenzulage, wenn
das für Sie einen Unterschied macht.«
    Redalsen nickt. »Ich bleibe, und jeder, der das möchte,
kann auch bleiben. Die anderen gehen nach unten in den Schutzraum.
Werden die Leute dort in Sicherheit sein?«
    »Das müßten sie eigentlich – der Bunker
befindet sich hundertzwanzig Meter tief im Riff. Wahrscheinlich
werden die Leute dort von den Vorgängen an der Oberfläche
überhaupt nichts mitbekommen. Die Kinder und die Freischicht
habe ich schon nach unten geschickt. Ich nehme Ihre Berichte dann
oben auf der Brücke entgegen.«
    »Sie wollen den Sturm dort oben abreiten?« fragt
Redalsen. Die Brücke befindet sich gut vierzig Meter höher
und ist daher viel gefährdeter.
    »Ich muß. Daß ich das Buch für Annapolis
geschrieben habe, war kein Witz. Und es basierte auf meinen
Erfahrungen mit einem Beaufort-15-Sturm, der schon ziemlich
beeindruckend war – aber ich will mir die Gelegenheit nicht
entgehen lassen, diesen hier zu erleben. Werde vielleicht noch einige
Kapitel ergänzen müssen.«
    Redalsen kann sich die Stichelei nicht verkneifen: »Vergessen
Sie aber nur nicht, die Kadetten darauf hinzuweisen, wie wichtig es
ist, ihr Schiff mit Betonpfeilern am Meeresboden zu
verankern.«
    »Falls die Trossen halten«, kontert Crandall
grinsend.
    »So oder so müßten wir bis zur
Morgendämmerung das Schlimmste hinter uns haben – der
verdammte Sturm nähert sich uns schneller, als ich es bisher
erlebt habe. Vorausgesetzt, Startzentrale, Brücke, Küche
und Messe sind dann noch da, erwarte ich Sie zum
Frühstück.«
    Er dreht sich um und geht, wobei Redalsen

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