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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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registriert er, daß
wenigstens die Stromversorgung noch funktioniert. Die Stufen
wölben sich unter seinen Füßen, ein-, zweimal, aber
jetzt, wo er sich daran gewöhnt hat und die Konstruktion
anscheinend hält, ist es nicht mehr so furchterregend –
zumindest nicht, bis er fast die Brücke erreicht hat und das
Heulen des Windes irgendwo im Innern der Station vernimmt. Die
Wendeltreppe in der großen Betonröhre verwindet sich
zweimal heftig unter ihm, und dann erlöschen die Lampen; die
blaue Notbeleuchtung der Röhre wird aktiviert, und was zuvor ein
hoher, dünner Schrei war, geht nun in ein tiefes Stöhnen
über.
    Er stößt die Tür des zur Brücke
führenden Korridors auf und spürt einen heftigen Sog,
während er sich zur Brückentür vorarbeitet. Er holt
tief Luft und zerrt an der Tür; sie fliegt auf und schleudert
ihn zurück.
    Er hechtet in den Raum und schließt die Tür unter
Aufbietung all seiner Kräfte; sofort legt sich der heftige Wind,
und als er sich umschaut, sieht er Crandall und die
Brückenbesatzung, die hinter den Konsolen in Deckung gegangen
sind. Vor ihnen ist eines der nach Osten gehenden großen
Fenster gesprungen, die beschädigten Plexiglas-Schichten
blättern wie gebrochenes Sperrholz ab, und da ist ein Loch mit
dem Durchmesser eines Armes, das sich ständig erweitert.
    »Sie sind gerade rechtzeitig gekommen, Mr. Redalsen –
wir versuchen, es zu schweißen, und dazu brauchen wir noch
Unterstützung.« Crandalls Stimme ist so deutlich, wie sie
es nur sein kann, wenn man aus voller Lunge schreit. »Wollen Sie
bitte mitkommen und mit anpacken?«
    Redalsen schließt sich ihnen an und sieht, daß sie
eine selbsthaftende Reparaturscheibe haben, aber diese Scheibe
müßte ungefähr eine Minute lang angedrückt
werden, bis sie fest sitzt. Er nickt, woraufhin sie losrennen und die
große Scheibe dicht am Boden halten, um sie nicht zu sehr dem
Wind auszusetzen. Dann wuchten die Träger sie in die Höhe,
wobei sie von einigen Leuten so fixiert wird, daß sie
bündig mit dem Fensterrahmen abschließt, und einige andere
schieben die Scheibe von unten hinauf, bis sie das Loch
vollständig bedeckt. Crandall betätigt den Abzug der
Wärmepistole, und die rotglühenden Kanten der Scheibe
verschmelzen mit dem alten Fensterglas. Sie stemmen sich alle gegen
die Scheibe, aber der Wind pfeift nun nicht mehr durch das Fenster,
und obwohl es auch körperlich anstrengend ist, scheint die
Abwesenheit des kalten, tosenden Windes und der Gischt, die durch das
Loch gedrungen war, den Leuten neue Kraft zu geben.
    Die Kanten erkalten wieder und werden dann durchsichtig; der
Schweißprozeß war endothermisch und hat den
größten Teil der Hitze absorbiert. Nach einer Minute
preßt Crandall einen Knöchel an die Scheibe und sagt:
»Kalt. Gut, bei drei lassen wir los, aber tretet zur Seite, denn
wenn die Scheibe doch wieder herausgedrückt wird, mäht sie
jeden nieder, der in der Schneise steht. Eins, zwei, drei.«
    Alle lassen zugleich los und schnaufen dann erleichtert, als sie
hält.
    »Ich vermute, Sie sind raufgekommen, um mir zu sagen,
daß die Verbindung zur Brücke unterbrochen wurde?«
sagt Crandall, als er wieder zu seinem Stuhl zurückgeht.
    »Hauptsächlich das, und außerdem wollte ich sehen,
was hier sonst noch los ist.«
    »Wir hatten einige Sturzseen. Eine hat die dritte
östliche Galerie erreicht, und die liegt immerhin achtzig Meter
über dem normalen Flurniveau. Aber wir schaffen es. Ich
würde mich besser fühlen, wenn diese verdammte gigantische
Bohrinsel ein Schiff wäre, mit dem ich in den Wind drehen
könnte, aber wir haben bisher durchgehalten, auch wenn die
große Hydraulik in den Beinen bei jeder Welle bis zum Anschlag
einfedert.« Der Bildschirm vor ihnen wird hell, und dann
erscheint eine Liste mit Schadensmeldungen. »Was wir haben, sind
gesprungene Fenster – die wir ausbessern müssen, weil sie
den Luftwiderstand erhöhen und dem Wind eine größere
Angriffsfläche bieten – sowie viele beschädigte
Leitungen, weil diese verdammten Narren von Architekten sie
außen auf Putz verlegt haben, und sie brechen überall
dort, wo sie eine Lücke überbrücken oder eine
Knickstelle aufweisen. Wie sieht es denn in der Zentrale
aus?«
    »Nun, es gibt nichts mehr zu kontrollieren – der Turm
ist von der ersten großen Welle gekappt worden. Gott sei Dank
sind wir die Monster noch rechtzeitig losgeworden. Aber sonst
ist dort unten anscheinend alles in Ordnung. Wenn Sie wollen, schicke
ich Ihnen

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