Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
Vom Netzwerk:
einige Freiwillige, die der Räumungsmannschaft
helfen…«
    »Das weiß ich sehr zu schätzen. Der Sturm
dürfte jetzt seine maximale Stärke erreicht haben, aber es
wird Stunden dauern, bis alle Schäden behoben sind, und wenn wir
nicht…«
    Plötzlich zerbersten die Fensterscheiben, und wie im
Zeitraffer erkennt Redalsen, daß das, was da hereinflutet,
weder Wind noch Gischt ist, sondern Wasser, bevor er gegen die Wand
geschleudert wird und das Bewußtsein verliert; er sieht nicht
einmal mehr die bebenden Wände, und das ist sein Glück,
denn mindestens die halbe Belegschaft ist noch bei Bewußtsein,
als die nächste große Welle zuschlägt, worauf die
Wände aus Stahlbeton zerbröseln, die ganze Station in den
Ozean abkippt und taumelnd und knirschend auf den Meeresboden sinkt;
übrig sind noch die paar, die in den langsam schrumpfenden
Lufttaschen eingeschlossen sind. Als spät eine düstere
Morgendämmerung über dem endlosen Meer einsetzt, sind noch
immer einige Menschen in den auf dem Meeresgrund liegenden
Trümmern am Leben; als zwei Tage später ein U-Boot der Navy
erscheint, um den Schutzbunker zu evakuieren, findet die Besatzung
die Leute zwar verängstigt, aber unverletzt vor. In den
verstreuten Trümmern der Station selbst finden sie keine
Überlebenden mehr. Die Taucher weigern sich, über ihren
Fund zu sprechen, und das von ihnen aufgenommene Video wird
unverzüglich zur Geheimsache erklärt.
     
    Das U-Boot hat Pearl Harbor kaum verlassen, als Di Callare und
seine Leute mit Harris Diem zusammentreffen, um folgende Frage zu
beantworten: Was ist bei Kingman Reef geschehen? Es ist noch immer
früh am Morgen – Di mußte schon um 05:00 Uhr den Zipline nehmen, um von North Carolina nach Washington zu
gelangen, wenn er noch eine Stunde zum Sichten der Daten haben
wollte, denen ohnehin nicht sehr viel zu entnehmen war.
    »Sie wollen eine Hypothese«, sagt er nun,
»Spekulationen für die Presse? Gut, ich glaube, daß
sie einer Springflut zum Opfer gefallen sind. Die Station war
für einen Beaufort-22-Wirbelsturm konzipiert, und als sie
unterging, hatte der Sturm eine Stärke von nur 19 oder 20. Diese
Zahl gilt jedoch nur unter Vorbehalt, und vielleicht hatten die
Wetterbedingungen sich gerade drastisch verschlechtert, oder
vielleicht wies die Station auch einen Mangel in der Bausubstanz auf;
aber setzen wir einmal voraus, daß es keine baulichen
Mängel gab und die Wetterbedingungen nicht so extrem waren.
Meine Annahme geht nun dahin, daß man sich bei einem
Wirbelsturm mit einer Stärke von Beaufort-20 und höher
direkt neben seinem Auge befinden muß, um seine maximale Wucht
zu erfahren, und im Auge selbst erreichen die Wellen eine Höhe
von höchstens dreißig Metern.
    Aber sie waren nicht einmal in der Nähe des Auges – das
geht aus ihren Meldungen und den Daten der Satelliten eindeutig
hervor. Und dieses Auge ist zwar groß, aber auch nicht
größer als die uns bekannten. Nehmen wir also einmal an,
es handelt sich nicht um ein entartetes Auge, sondern um einen extrem
heftigen Sturm…«
    Der kleine Mann an Diems Seite, der als ›mein Assistent‹
vorgestellt worden war und bisher nur aufmerksam zugehört hatte,
hüstelt leicht, und Di spürt direkt, wie die anderen sich
von ihm zurückziehen. Aber was soll’s; er wird ihnen seine
Hypothesen vortragen, und sie können sie dann später
verifizieren.
    »Nehmen wir einmal an, es handelt sich um einen Wirbelsturm,
der an der Peripherie des Auges eine Stärke von Beaufort-35 hat.
Ja, ich weiß, daß das fast der Windgeschwindigkeit eines
Tornados entspricht, aber wir haben es hier mit etwas zu tun, das
einen Durchmesser von über fünfzig Kilometern aufweist und
nicht mit einem Tornado, der im Schnitt nicht einmal einen
Durchmesser von einem Kilometer hat. Dann könnten die aus dem
Auge kommenden Wellen – die sich zwar vom Sturm wegbewegen, aber
immer noch in seiner Nähe verlaufen – eine Höhe bis zu
hundertvierzig Metern erreichen, vor allem deshalb, weil sie eine
praktisch unbegrenzte Anlaufstrecke haben…«
    Der kleine Mann dreht sich zu Diem um und fragt:
»Anlaufstrecke?«
    »Der Wind bläst doch über das Wasser«, sagt
Diem. »Hundertvierzig-Meter-Wellen, Dr. Callare? Ihnen ist doch
klar, daß Sie mir damit sagen, dieses Ding würde selbst
einen Tsunami in den Schatten stellen?«
    »Genau.«
    »Und sind Ihre Leute auch dieser Meinung?« fragt der
kleine Bursche mit einem lauernden Blick.
    Di Callare ist noch nie so stolz auf sein Team

Weitere Kostenlose Bücher