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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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gewesen; alle
nicken sie. »Wenn man die gegenwärtigen Temperaturen im
Nordpazifik betrachtet«, sagt Gretch, »besteht ein
großes Potential für einen solchen Sturm.« Und was
sie dann nachschiebt, ist der Gipfel der Verwegenheit: »Wenn Sie
eine ehrliche Antwort wollen und keine, die Sie vielleicht hören
wollen, dann ist er das: Dies ist der große Sturm, von dem wir
schon seit Wochen sprechen. Und er wird auf dem Weg nach Asien noch
an Stärke zunehmen.« Sie schiebt sich das Haar aus dem
Gesicht, setzt sich gerade hin und erwidert den Blick des kleinen
Mannes.
    Der kleine Mann ignoriert das, wie er auch alle anderen ignoriert.
Jetzt, wo der Damm gebrochen ist, legen Peter, Talley, Mohammed und
Wo Ping sämtliche Beweisstücke vor. Harris Diems
Gesichtsausdruck ist unbewegt – was vielleicht erklärt,
warum er noch immer seinen Job hat –, aber es ist klar,
daß der kleine Bursche der Beweisführung schon gar nicht
mehr zuhört (wahrscheinlich würde er sie ohnehin nur mit
einer Menge Erläuterungen nachvollziehen können). Er
registriert nur, daß die Leute renitent werden.
    Die Besprechung endet ohne weitere substantielle Einlassungen
seitens der Politiker; weil seine Leute ihn so unterstützt
haben, revanchiert Di sich vor Diem und dessen ›Schatten‹
mit den Worten, daß ihre weiteren Untersuchungen auf der
Annahme basieren werden, es habe sich um eine Springflut gehandelt
und daß dies nicht nur ein ungewöhnlich großer
Wirbelsturm sei, sondern der bisher größte überhaupt.
Diese Ausführungen jagen Diem, den kleinen Mann und ihren
Sekretär anscheinend in die Flucht, als ob sie Angst vor dem
hätten, was sie sonst noch zu hören bekämen.
    Es ist erst 08:30 Uhr, so daß die Belegschaft noch nicht
eingetroffen ist, und nun, da Diem und sein Gefolge gegangen sind,
ist der Adrenalinschub mit ihnen verschwunden, und alle scheinen in
sich zusammenzusinken. Es wird ein langer Tag werden.
    »Gehen wir irgendwo frühstücken«, schlägt
Di vor. »Ich weiß nicht, was ihr dazu sagt, aber ich habe
den ganzen Morgen nur diesen lausigen Kaffee getrunken. Und
vielleicht kommen uns ja ein paar weitere Gedanken, wie diese Sache
sich möglicherweise noch entwickelt.«
    Es ist ein ziemlich langweiliger Spaziergang an drei Blocks
vorbei; Di erblickt ein paar Basketball spielende Kinder, wie damals,
als er selbst zehn war, wo alle in den letzten Klamotten herumliefen
und sich in der Gesellschaft der anderen einfach nur
wohlfühlten. Einen Moment lang fragt er sich, ob diese
Überlegungen nicht vielleicht seinem eigenen Bedürfnis nach
Solidarität entspringen; aber, nein – Talley schreitet
munter aus, mit zuversichtlich erhobenem Kopf, wobei sie in eine
heftige Auseinandersetzung mit dem neben ihr gehenden Pete verwickelt
ist, und Wo Ping und Mohammed hören interessiert zu, und alle
scheinen sie die anderen Passanten davor warnen zu wollen, ihnen dumm
zu kommen.
    »Das Team hält wirklich zusammen, Dr. Callare«,
kommentiert Gretch.
    »Das muß es auch«, sagt Di, wobei er nicht
düster klingen, sich aber auch nicht in die Tasche lügen
will. »Ich bin sicher, daß Diem uns verstanden hat und
entsprechend handeln wird, aber ich habe keine Ahnung, welchen
Einfluß er wirklich ausübt – es heißt, er sei
ein alter Kumpel von Hardshaw, und man bezeichnet ihn auch als den
Schatten der Präsidentin, aber soweit wir wissen, ist es
Hardshaw selbst, die uns mundtot machen will.«
    »Und was geschieht, wenn wir trotzdem reden?«
    »Das werden wir wohl bald herausfinden. Da haben Sie aber ein
Praktikum erwischt, was?«
    Sie schnaubt zustimmend. »Wenigstens bekomme ich so einen
authentischen Einblick in eure Arbeit. Ich… äh… habe
vor, das Praktikum zu verlängern, falls…«
    »Ich werde Ihnen natürlich eine Empfehlung
schreiben.«
    Sie kommen an eine Ampel, und Di nutzt die Pause, um seinen Leuten
zuzuhören. Talley bezieht die konservative Position und Pete die
radikale; sie sagt, es sei nur ein konventioneller, wenn auch
außergewöhnlich starker Sturm, wogegen er argumentiert, es
seien mindestens zwanzig unbekannte Phänomene aufgetreten. Gut
– sollen sie sich zusammensetzen und ihre Positionen
darlegen.
    Wo Ping diskutiert ein mathematisches Problem mit Mohammed, wobei
es im Grundsatz darum geht, auf welcher Ebene die Entwicklung ins
Chaotische umschlägt und welche Stufen des Modells infolgedessen
durch die Monte-Carlo-Methode verifiziert werden müssen. Das
hört sich nach einer Frage an, die einer von

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