Die Mutter der Königin (German Edition)
Segelwetter. Aber seine ganze Flotte liegt vertäut am Kai.
«Es ist vorbei», sagt er umstandslos, als ich mich still zu ihm geselle. Ich lege ihm die Hand auf die Schulter, nichts, was ich sage, könnte ihn jetzt trösten, in diesem Augenblick des Scheiterns und der Schande. «Es ist vorbei, und ich habe nichts getan. Ich bin Seneschall von nichts. Erst warst du die Gemahlin von John, Duke of Bedford, einem mächtigen Lord, Regent von ganz Frankreich, und nun bist du die Gemahlin eines Seneschalls von nichts.»
«Du hast getan, was dir befohlen wurde», sage ich zärtlich. «Du hast die Armee und die Flotte zusammengehalten, und du warst jederzeit zum Aufbruch bereit. Wenn sie dir das Geld geschickt und den Befehl gegeben hätten, wärst du ausgezogen. Wenn sie dir nur den Befehl gegeben hätten, wärst du sogar ohne das Geld aufgebrochen. Das weiß ich. Alle wissen es. Du hättest ohne Lohn gekämpft, und die Männer wären dir gefolgt. Ich bezweifele nicht, dass du die Gascogne gehalten hättest. Aber du musstest auf die Befehle warten. Es ist nicht deine Schuld.»
«Oh», lacht er bitter. «Jetzt habe ich meine Befehle.»
Ich warte, während mir das Herz sinkt.
«Ich soll Calais mit einer Streitmacht verteidigen.»
«Calais?» Ich stocke. «Aber ist der König von Frankreich denn nicht in Bordeaux?»
«Sie glauben, dass der Herzog von Burgund Männer sammelt, um Calais anzugreifen.»
«Mein Verwandter.»
«Ja. Es tut mir leid, Jacquetta.»
«Wer geht mit dir?»
«Der König hat Edmund Beaufort, den Duke of Somerset, zum Oberbefehlshaber von Calais ernannt. Ich soll ihn unterstützen, sobald ich die Schiffe, die Seeleute und die Armee entlassen habe.»
«Edmund Beaufort?», wiederhole ich ungläubig. Das ist der Mann, der die Normandie verloren hat. Nur weil der König ihm blind vertraut und die Königin ihm ihre irregeleitete Zuneigung schenkt, wird ihm Calais überantwortet.
«So es Gott gefällt, hat er inzwischen gelernt, wie man eine Niederlage erträgt», sagt mein Gemahl grimmig.
Ich schmiege meine Wange an seinen Arm. «Wenigstens kannst du Calais für England halten», sage ich. «Sie werden dich einen Helden nennen, wenn du Burg und Stadt beschützt.»
«Ich stehe unter der Befehlsgewalt des Mannes, der die Normandie weggegeben hat», erwidert er bedrückt. «Ich diene dem Mann, den Richard, Duke of York, einen Verräter nannte. Wenn sie uns dorthin auch kein Geld und keine Männer schicken, dann weiß ich nicht, wie wir die Stadt halten sollen.»
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Grafton, Northamptonshire
HERBST 1451
R ichards Laune bessert sich nicht, während er sich auf die Abreise nach Calais vorbereitet. Ich schicke nach Elizabeth, meiner ältesten Tochter, damit sie ihren Vater vor seiner Abreise noch einmal sieht. Ich habe sie im Hause der Familie Grey in Groby Hall in der Nähe von Leicester untergebracht, nur fünfzig Meilen von hier. Eine wohlhabende Familie mit Verwandten im ganzen Land, die über Tausende von Morgen gebietet. Meine Tochter wird von der Dame des Hauses, Lady Elizabeth, unterwiesen, der Erbin der reichen Familie Ferrer. Ich hätte niemanden finden können, der geeigneter gewesen wäre, ihr beizubringen, wie eine große Dame einen Haushalt leitet. Im Haus gibt es einen Sohn und Erben, den jungen John Grey, der gegen Jack Cade geritten ist, ein gutaussehender junger Mann. Er wird das nicht unerhebliche Anwesen und den Adelstitel erben.
Sie braucht einen ganzen Tag für den Ritt nach Hause, und weil die Straßen so gefährlich sind, kommt sie mit einer bewaffneten Garde. Umherstreifende Banden von Männern, die man aus Frankreich hinausgeworfen hat, die kein Zuhause haben und keinen Sold, machen die Gegend unsicher. Elizabeth ist mit vierzehn schon fast so groß wie ich. Wenn ich sie ansehe, muss ich mich hüten, nicht allzu oft zu lächeln, so schön und anmutig ist sie. In ihrem Alter war ich wahrscheinlich genauso hübsch, aber ich war nie so gelassen und ruhig wie sie. Sie hat meinen klaren, blassen Teint geerbt und mein helles Haar, sie hat graue Augen, und ihr Gesicht ist so vollkommen wie das einer wunderschönen Marmorstatue. Wenn sie lacht, ist sie noch ein Kind, aber manchmal sieht sie mich an, und dann denke ich: Lieber Gott, sie besitzt die seherische Gabe von Melusine, sie ist eine Frau aus meiner Linie, und sie hat eine Zukunft vor sich, die ich mir nicht vorstellen kann.
Elizabeths kleine Schwester Anne folgt ihr wie ein Schatten. Mit gerade zwölf
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