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Die Mutter der Königin (German Edition)

Die Mutter der Königin (German Edition)

Titel: Die Mutter der Königin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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und kräftig. Ich beobachte sie alle eine Woche nach Lewis’ Begräbnis angsterfüllt, aber sie niesen noch nicht einmal.
    Eigentlich müsste ich doch von Lewis träumen, aber ich schlafe fest und träume gar nicht. Bis ich eines Nachts, etwa einen Monat nach seinem Tod, von einem Fluss träume, einem tiefen, kühlen Fluss voller gelber Wasserlilien, der über ein Bett aus goldenen und bronzenen Steinen fließt und an dessen Ufern voller Schilf goldene Sumpfdotterblumen wachsen. Am anderen Ufer steht mein Sohn Lewis; er zieht sich ein Leinenhemd und eine Hose an, lächelt mich an und winkt mir zu, um mir zu zeigen, dass er vorausläuft, nur ein Stück voraus. Auch wenn ich ihn gern zurückhalten würde, winke ich ihm im Traum und rufe ihm zu, dass wir uns bald wiedersehen, ganz bald, schon am Morgen.

    Unser Rückzug nach Grafton ist nicht von langer Dauer. Im September kommt der Bote des Königs über die grünen Wege bis an unser Tor geritten. Die breiten Holztüren werden aufgerissen, und er reitet in den Hof, vor ihm die königliche Standarte, eine Wache von sechs Mann zur Seite. Ich komme gerade von der Morgenandacht aus der Kapelle und halte inne. Ich spüre die Gefahr auf uns zukommen und kreuze hinter dem Rücken die Finger, als könnte so ein kindisches Zeichen Schwierigkeiten abwenden.
    «Eine Nachricht für Baron Rivers», sagt der Bote beim Absitzen und verbeugt sich.
    «Ich bin die Herzoginwitwe, Lady Rivers», erkläre ich und strecke die Hand aus. «Das könnt Ihr mir geben.»
    Er zögert.
    «Mein Gemahl ist auf der Jagd», fahre ich fort. «Er kommt erst morgen zurück. Wenn er fort ist, habe ich hier das Sagen. Also übergebt mir bitte die Nachricht.»
    «Ich bitte um Entschuldigung, Euer Gnaden», sagt er und reicht sie mir.
    Das harte königliche Siegel schimmert. Ich erbreche es und nicke ihm zu. «Ich lasse Bier, Brot und Fleisch für Euch und Eure Männer in der Halle auftragen», erkläre ich ihm. «Und man wird Euch zeigen, wo Ihr Euch waschen könnt. Ich gebe Euch meine Antwort, wenn Ihr gegessen und Euch ausgeruht habt.»
    Er verbeugt sich erneut. Die Männer reichen den Stallburschen die Zügel ihrer Pferde und gehen ins Haus. Nach einer Weile spaziere ich langsam zu einer Steinbank an der Gartenmauer, setze mich in den warmen Sonnenschein und lese den Brief.
    Es ist ein Einberufungsbrief, eine weitere große Ehre für uns. Richards Dienste werden gewürdigt, die Lords des Kronrats haben genau beobachtet, wer in den Unruhen in London schnellentschlossen, tapfer und dienstbereit war – selbst wenn der König und die Königin nach Kenilworth geflohen sind und nichts gesehen haben. Richard wird zum Seneschall der Gascogne ernannt, des reichen Landstrichs um Bordeaux, den die Engländer seit dreihundert Jahren halten und für immer zu halten hoffen. Wieder sollen Richard und ich die Besatzungsmacht in Frankreich repräsentieren. Zwischen den Zeilen errate ich, dass der König entsetzt ist über den Verlust der englischen Besitzungen in der Normandie durch Edmund Beaufort, dem Duke of Somerset, und ihn das bewogen hat, die Gascogne unter den Befehl eines erfahreneren Kommandanten zu stellen. Diese Ernennung ist eine Ehre, aber sie bringt die Gefahren und Schwierigkeiten der Verstärkung der Armee um Bordeaux mit sich. Die Besitzungen müssen gegen französische Einfälle verteidigt werden, und die Menschen dort müssen England die Treue halten. Sie haben den Eindruck, von ihrem Heimatland, das sich nicht einmal selbst regieren kann – ganz zu schweigen von den Besitzungen auf dem Kontinent – verlassen worden zu sein, und dem ist dringend entgegenzuwirken.
    Ich sehe auf. Es muss an meiner Trauer liegen, denn mir ist alles gleichgültig. Ja, die Herrschaft über die Gascogne übertragen zu bekommen, ist eine große Ehre. Die Rivers steigen auf, selbst wenn einer von uns gegangen ist. Und es ist zwecklos, dass mein Herz so schmerzt wegen des einen, der fehlt.
    Ich senke den Blick wieder auf den Brief. Am Rand hat der König etwas in seiner Sekretärshandschrift vermerkt, wie ein Mönch, der ein Manuskript kommentiert.
Lieber Rivers,
seid mir gefällig, indem Ihr Euch augenblicklich nach Plymouth begebt, dort eine Streitmacht anmustert und sie auf einer Flotte in die Gascogne bringt. Ihr solltet am 21. September in See stechen, nicht später.
    Darunter hat die Königin etwas für mich geschrieben: «Jacquetta – Glückliche! Ihr dürft zurück nach Frankreich!»
    «Glücklich» fühle ich

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