Die Mutter der Königin (German Edition)
Landstriche, in denen die Menschen zu arm sind, um ihre Steuern zu bezahlen, und die Ankunft unseres verschwenderischen Hofes als zusätzliche Bürde betrachten. Wir erfahren, dass Eleanor Cobham, die ehemalige Duchess of Gloucester, in ihrem Gefängnis Peel Castle auf der Isle of Man gestorben ist. In aller Stille, an gebrochenem Herzen und an Einsamkeit. Sie haben verhindert, dass sie sich selbst das Leben nimmt, indem sie von den Zinnen springt oder sich die Pulsadern aufschlitzt. Sie haben ihr nicht gestattet zu leben, doch den Tod haben sie ihr auch verwehrt. Jetzt erzählt man sich, ihr Geist spuke in Gestalt eines großen schwarzen Hundes durch die Burg, der treppauf, treppab nach dem Ausgang suche.
Ich überbringe der Königin die Nachricht vom Tode Eleanor Cobhams, aber ich verschweige ihr, dass ich glaube, dass sie eine Frau war wie Marguerite und ich: eine, die erwartet, einen großen Platz in der Welt einzunehmen, die die Welt betrachtet und nach ihren Wünschen umformen will, die sich schwertut, in die kleinen Fußstapfen einer artigen Frau zu treten oder den Kopf vor der Autorität der Männer zu beugen. Ich verschweige ihr, dass ich den schwarzen Hund hinter der Herzogin gesehen, dass ich unter ihrem Parfüm seinen stinkenden Atem gerochen habe. Die Herzogin und der schwarze Hund tun mir leid, und mich schaudert bei dem Gedanken, dass sie inhaftiert worden ist, weil sie gelesen hat, was ich gelesen habe, weil sie nach dem Wissen gestrebt hat, das ich besitze, weil sie eine mächtige Frau war – so wie ich.
Diese Sommerreise ist keine fröhliche Landpartie, auf der ein König gefeiert wird, der sich glücklich schätzt, in der schönsten Zeit des Jahres sein Königreich zu bereisen. Es gleicht einer Heimsuchung, wenn die Bürger und Geistlichen dem König aus ihren Städten entgegeneilen, um ihn willkommen zu heißen, und dann erkennen müssen, dass er gekommen ist, um in ihrem Rathaus Gericht zu halten, dass ihre Freunde sich seinen Anklagen stellen müssen. Ein Mann kann des Verrats beschuldigt werden, wenn er nur ein falsches Wort gesagt hat, aus einem Streit in einem Wirtshaus wird gleich eine Rebellion. Wenn er auf der Anklagebank sitzt, wird er aufgefordert, andere zu benennen, und aus Gehässigkeiten und Gerüchten entsteht eine Spirale von Anklagen.
Auf dem Weg nach Wales ziehen wir weiter, ins Kernland von Richard, Duke of York, einem schönen und wilden Land, und machen seinen Pächtern, Gefolgsleuten und Vasallen den Prozess. Die Königin triumphiert, dass wir dem Duke of York den Fehdehandschuh vor die Füße werfen. Edmund, der Duke of Somerset, ist schadenfroh, weil ihn der Duke of York des Verrats beschuldigt hat, der Hof nun aber auf seiner Schwelle steht und seine Pächter ebendieses Verbrechens beschuldigt.
«Er wird außer sich sein!», erklärt er der Königin, und dann lachen sie wie Kinder, die ihre Stöcke über den Bärenkäfig rattern lassen, um die Bestie zum Knurren zu bringen. «Ich habe einen alten Bauern aufgetrieben, der gehört haben will, wie der Herzog erklärt hat, Cade spreche nur das aus, was die meisten Männer denken. Das ist Verrat. Und ein Wirt hat mir gesagt, Edward of March, Yorks Sohn und Erbe, halte den König für einfältig. Ich lasse ihn vor Gericht stellen; der König soll hören, was der Sohn des Herzogs gegen ihn vorzubringen wagt.»
«Ich verbiete dem König, auf Yorks Ludlow Castle zu übernachten», sagt die Königin. «Ich weigere mich, ihn dorthin zu begleiten. Ich will Herzogin Cecily brüskieren, und Ihr müsst mich dabei unterstützen.»
Edmund Beaufort nickt. «Wir können bei den Karmelitern unterkommen», schlägt er vor. «Der König übernachtet immer gerne in einem Kloster.»
Lachend wirft sie den Kopf zurück, sodass die Spitzenbändchen ihres hohen Kopfschmucks seine Wange streifen. Ihr Gesicht ist gerötet, sie strahlt. «Ja, er liebt Klöster», pflichtet sie ihm bei.
«Ich hoffe, sie haben gute Sänger», sagt er. «Ich liebe gregorianischen Gesang. Ich könnte ihn den ganzen Tag hören.»
Sie kreischt lachend auf und versetzt ihm einen Klaps auf den Arm. «Genug! Genug!»
Ich warte, bis er gegangen ist. Bestimmt wäre er länger geblieben, wenn er nicht in die Gemächer des Königs gebeten worden wäre. Bevor er sie verlässt, küsst er umständlich ihre Hand. «Ich sehe Euch beim Abendessen», flüstert er – obwohl er uns selbstverständlich alle beim Essen sehen wird –, und als er geht, zwinkert er mir lächelnd zu,
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