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Die Mutter der Königin (German Edition)

Die Mutter der Königin (German Edition)

Titel: Die Mutter der Königin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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würde und ich ihn. Ich habe die Apfelblüte gepflückt und ihm den Apfel zu essen gegeben, wie du gesagt hast. Aber lange davor, im ersten Moment, in dem ich ihn gesehen habe, wusste ich genau, was in deiner Absicht lag, als du mich hierhergeschickt hast. Ich stand vor seiner Mutter am Tisch, da trat er durch die Tür hinter ihr. Ich wusste nicht einmal, dass er im Hause war, doch in dem Moment, da mein Blick auf ihn fiel, wusste ich, warum du mich nach Groby geschickt hast.»
    «Und warst du froh? War es richtig von mir, dich hierherzuschicken?»
    Pure Freude leuchtet in ihren grauen Augen. «Sehr froh. Ich dachte, wenn er mich auch mag, bin ich das glücklichste Mädchen in England.»
    «Das war keine Prophezeiung, das war nichts als das Wissen um deine Schönheit und Anmut. Ich hätte dich in jedes Haus schicken können, in dem ein gutaussehender junger Mann lebt, und er hätte sich in dich verliebt. Mit Zauberei hat das nichts zu tun, nur mit der Begegnung eines Mädchens und eines Jungen im Frühling.»
    Sie glüht. «Oh, wie mich das freut! Ich war mir gar nicht so sicher. Ich bin so froh, dass er mich liebt, ohne dass er verzaubert wurde. Bestimmt hast du in meine Zukunft geblickt? Hast du die Glücksbringer in den Fluss gelassen? Was hast du aus dem Wasser gezogen? Hast du die Karten für uns gelegt? Wie wird meine Zukunft aussehen?»
    «Ich habe nicht in die Karten gesehen», lüge ich meine kleine Tochter an, lüge mit blankem Gesicht, hartherzig wie eine alte Hexe, die ihr in der Hochzeitsnacht die Wahrheit vorenthält, äußerlich vollkommen gelassen. Ich werde ihr etwas auftischen, was sie überzeugt. Ich lasse nicht zu, dass meine Vorhersage ihr Glück überschattet, sondern verleugne meine Gabe, verleugne, was sie mir gezeigt hat.
    «Du täuschst dich, meine Liebe, ich habe weder Karten gelegt noch in den Spiegel gesehen. Ich habe auch keine Glücksbringer in den Fluss geworfen, weil das gar nicht nötig war. Dein Glück kann ich auch ohne alle Hilfsmittel vorhersagen. Genau wie ich wusste, dass er dich lieben wird. Ich weiß, dass du glücklich wirst, und ich glaube, ihr werdet auch Kinder haben, das erste schon recht bald.»
    «Mädchen oder Junge?»
    «Das kannst du selbst vorhersagen», erwidere ich lächelnd. «Nun hast du einen eigenen Ehering.»
    «Und ich werde Lady Grey of Groby sein», sagt sie mit leiser Befriedigung.
    Mich überkommt ein Schaudern, als hätte sich mir eine kalte Hand in den Nacken gelegt, denn ich weiß genau, dass sie hier nie etwas erben wird. «Ja», sage ich, meinem Wissen zum Trotz. «Du wirst Lady Grey of Groby sein und die Mutter vieler schöner Kinder.» So etwas muss sie hören, bevor sie sich in der Hochzeitsnacht in ihr Ehebett legt. «Gott segne dich, mein Liebling, und gebe dir Freude.»
    Die Mädchen klopfen und kommen aufgeregt hereingestürmt, mit Rosenblättern für das Bett und einem Krug Hochzeitsbier, mit einer Schüssel parfümiertem Waschwasser und mit ihrem Linnengewand. Ich helfe ihr, sich fertig zu machen, und als die Männer hereinpoltern, ungestüm und betrunken, liegt sie wie ein keuscher Engel in ihrem Bett. Mein Gatte und Lord Grey helfen John ins Bett. Er wird knallrot wie ein kleiner Junge, obwohl er schon einundzwanzig ist. Ich lächele, als wäre ich vollkommen glücklich. Und frage mich, warum sich mein Herz so schmerzhaft zusammenzieht vor Furcht um die beiden.
    Zwei Tage später kehren wir nach Hause zurück, und ich erzähle weder Elizabeth noch sonst jemandem, dass ich natürlich doch in die Karten gesehen habe, und zwar an dem Tag, an dem Lady Grey schrieb, um sich nach Elizabeths Mitgift zu erkundigen. Ich habe am Tisch gesessen und über die Flussaue und die Milchkammer geblickt. So sicher war ich mir ihres Glückes, dass ich die Karten in die Hand genommen, drei ausgesucht und umgedreht habe. Und alle drei waren leer.
    Der Kartenmaler hat drei Blankokarten ins Spiel gelegt, drei Karten, die dieselben bunten Rücken haben, aber vorne leer sind, Ersatz zum Gebrauch in einem anderen Spiel. Diese drei Karten, die nichts zu sagen haben, bekam ich in die Hand, als ich Elizabeths Zukunft mit John Grey vorhersehen wollte. Ich hatte auf Wohlstand und Kinder gehofft, auf Enkelkinder und einen Aufstieg in der Welt, doch die Karten waren leer. Ich konnte keine Zukunft sehen für Elizabeth und John Grey: keine Zukunft für die beiden.

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    Palast von Placentia, Greenwich, London
WEIHNACHTEN 1452
    R ichard und ich

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