Die Mutter der Königin (German Edition)
und teilt sie», sage ich leise. «Und dann teilt sie noch einmal.»
«Werden wir seine Zukunft vorhersagen?», fragt sie mit verzückter Miene.
Ich schüttele den Kopf. «Wir können seine Zukunft nicht vorhersagen, dazu müsste er uns darum bitten und die Karte persönlich ziehen. Das geht ohne ihn nicht. Doch wir können vorhersagen, ob sein Leben das Eure berührt. Wir können sehen, welche Karte seine Gefühle für Euch und die Euren für ihn zeigt.»
Sie nickt. «Ich will es wissen», flüstert sie sehnsüchtig. «Glaubt Ihr, er liebt mich, Jacquetta? Ihr habt ihn mit mir gesehen. Glaubt Ihr, er liebt mich?»
«Breitet die Karten aus», sage ich.
Sie fächert die Karten auf, die bunten Bilder nach unten.
«Und jetzt wählt.»
Langsam streicht sie mit einem Finger über die bemalten Rückseiten, sinniert über ihre Wahl und zeigt dann auf eine Karte. «Die.»
Ich drehe sie um. Es ist der Turm. Der Turm einer Burg, vom Blitz getroffen, eine gezackte Flamme stößt in das Dach, die Wände stürzen in eine Richtung, das Dach in die andere. Zwei kleine Gestalten fallen vom Turm auf die Wiese darunter.
«Was bedeutet das?», flüstert sie. «Wird er den Turm einnehmen? Bedeutet es, dass er das Königreich übernimmt?»
Für einen Augenblick verstehe ich nicht, was sie meint. «Das Königreich übernimmt?», wiederhole ich voller Entsetzen. «Das Königreich übernimmt!»
Sie schüttelt den Kopf, als wollte sie den Gedanken leugnen, und schlägt die Hand vor den Mund. «Nichts, nichts. Aber was bedeutet es? Diese Karte, was bedeutet sie?»
«Sie bedeutet die Zerrüttung alles Bekannten», antworte ich, «den Umsturz der Zeiten. Vielleicht den Niedergang einer Burg …» Natürlich denke ich an Richard, der geschworen hat, die Burg Calais für diesen Oberbefehlshaber zu halten. «Ein Sturz aus großer Höhe, seht, zwei Menschen stürzen vom Turm, die, die ganz unten sind, steigen auf, und am Ende ist alles anders. Ein neuer Erbe übernimmt den Thron, die alte Ordnung besteht nicht mehr, alles ist neu.»
Ihre Augen strahlen. «Alles ist neu», flüstert sie. «Was glaubt Ihr, wer ist der wahre Erbe des Königs?»
Ich sehe sie an. Entsetzen beschleicht mich. «Richard, Duke of York», sage ich ausdruckslos. «Ob Ihr ihn mögt oder nicht. Richard of York ist der Thronerbe.»
Sie schüttelt den Kopf. «Edmund Beaufort ist der Cousin des Königs», flüstert sie. «Er könnte der wahre Thronerbe sein. Vielleicht will die Karte uns das sagen.»
«Es geht nie so aus, wie ich es mir gedacht habe», warne ich sie. «Dies ist keine Vorhersage, es ist eher eine Warnung. Erinnert Ihr Euch an das Rad des Schicksals? Die Karte, die Ihr an Eurem Hochzeitstag gezogen habt? Was aufsteigt, wird niedergehen; nichts ist sicher.»
Ich kann sagen, was ich will, nichts vermag ihre Freude zu dämpfen. Sie strahlt über das ganze Gesicht. Ich habe vorhergesehen, dass sich alles verändern wird, und sie sehnt sich nach Veränderung. Sie glaubt, der Turm auf der Karte stelle ihr Gefängnis dar; sie will, dass er einstürzt. Sie glaubt, die Menschen, die vom Turm stürzen, würden ausbrechen. Sie glaubt, der Blitz, der zerstört und verbrennt, werde das Alte niederreißen und etwas Neues schaffen. Was ich auch sage, sie nimmt es nicht als Warnung an.
Sie zeichnet den Kreis in die Luft, wie ich es ihr am Tag ihrer Vermählung gezeigt habe, das Rad des Schicksals, das das Auf und Ab des Lebens symbolisiert. «Alles neu», flüstert sie noch einmal.
An diesem Abend vertraue ich Richard meine Sorgen an, auch wenn ich überspiele, wie verliebt die Königin in den Herzog ist, und ihm nur erzähle, dass sie einsam und der Herzog ihr bester Freund ist. Richard sitzt am warmen Feuer, das Nachtgewand über die nackten Schultern geworfen. «Gegen Freundschaft ist nichts einzuwenden», meint er beherzt. «Sie ist ein hübsches Mädchen und verdient ein wenig Gesellschaft.»
«Die Leute werden reden.»
«Geredet wird immer.»
«Ich fürchte, sie schließt den Herzog zu sehr ins Herz.»
Er kneift die Augen zusammen, als wollte er meine Gedanken lesen. «Willst du damit sagen, sie könnte sich in ihn verlieben?»
«Es würde mich nicht überraschen. Sie ist jung, er sieht gut aus, sie hat sonst niemanden auf der Welt, der ihr ein wenig Zuneigung zuteilwerden lässt. Der König ist freundlich zu ihr und aufmerksam, doch geht ihm jede Leidenschaft ab.»
«Kann der König ihr ein Kind schenken?», kommt Richard offen zum Kern der
Weitere Kostenlose Bücher