Die Mutter der Königin (German Edition)
Hätte sie mich wohl fortgeschickt, wenn sie gewusst hätte, wie mein Leben sein würde, wenn sie gewusst hätte, dass sie mich nie wiedersehen würde, nicht einmal auf einen Besuch?»
«Sie weiß wenigstens, dass der König freundlich zu Euch ist und ein liebenswürdiger Gemahl», sage ich. «Als die Greys bei mir um Elizabeths Hand angehalten haben, war mein erster Gedanke, ob er wohl freundlich zu ihr sein würde. Das wünscht sich wohl jede Mutter für ihre Tochter.»
«Ich würde ihr gern berichten können, dass ich guter Hoffnung bin», sagt sie. «Das würde sie glücklich machen, denn das wünscht sie sich – das wünschen sich alle. Doch vielleicht in diesem Jahr. Vielleicht bekomme ich in diesem Jahr ein Kind.» Sie senkt die Augenlider und lächelt versonnen.
«Oh, liebste Marguerite, ich hoffe es.»
«Jetzt bin ich zufrieden», sagt sie leise. «Ja, ich bin sogar voller Hoffnung. Ihr braucht keine Angst um mich zu haben, Jacquetta. Es stimmt, dass ich im Sommer sehr unglücklich war, und auch um die Weihnachtszeit, doch jetzt bin ich zufrieden. Ihr wart mir eine gute Freundin, dass Ihr mich gewarnt habt, mich in Acht zu nehmen. Ich habe auf Euch gehört, ich habe Eure Worte erwogen. Ich weiß, dass ich nicht unvorsichtig sein darf, ich habe den Herzog auf Abstand gehalten, und ich glaube, alles wird gut.»
Um zu erkennen, dass hier etwas im Busch ist, brauche ich nicht die Gabe der Vorhersehung. Hier gibt es ein Geheimnis, eine heimliche Freude. Doch über ihr Betragen kann ich mich nicht beklagen. Mag sie dem Herzog auch ein Lächeln schenken, sie ist immer an der Seite des Königs. Sie begegnet dem Herzog nicht mehr auf der Galerie und lässt sich von ihm auch nichts mehr ins Ohr flüstern. Er kommt in ihre Gemächer, wie er es immer getan hat, doch sie unterhalten sich über Staatsangelegenheiten. Er kommt immer in Begleitung, und sie hat ihre Hofdamen um sich. Doch wenn sie allein ist oder still wird unter Menschen, dann frage ich mich bei ihrem Anblick, was sie denkt, wenn sie die Hände so sittsam im Schoß faltet, den Blick gesenkt, die Augen verschleiert und in sich hineinlächelt.
«Und wie geht es Eurem kleinen Mädchen?», fragt sie ein wenig wehmütig. «Geht es ihr gut? Ist sie rund und hübsch wie all Eure Kinder?»
«Dem Herrn sei es gedankt, sie ist kräftig und gedeiht», sage ich. «Ich habe sie Eleanor genannt, wisst Ihr. Ich habe allen Kindern zu Weihnachten Geschenke geschickt, und wir hatten zwei Tage sehr schönes Wetter, als ich bei ihnen war. Mit den Älteren bin ich auf die Jagd gegangen und mit den Jüngeren Schlittenfahren. An Ostern besuche ich sie wieder.»
An diesem Abend zieht die Königin ihr neues, dunkelrotes Kleid an. Eine Farbe, die man noch nie gesehen hat, der Stoff wurde eigens für sie bei Londoner Kaufleuten erstanden.
Gefolgt von den Hofdamen, betreten wir das Audienzzimmer des Königs. Sie nimmt ihren Platz an seiner Seite ein, als die kleine Beaufort-Erbin Margaret hereinkommt, viel zu prächtig gekleidet, von ihrer schamlosen Mutter zur Schau gestellt. Um alle daran zu erinnern, dass sie die Tochter von John Beaufort ist, dem ersten Duke of Somerset, trägt das Mädchen ein Kleid von engelhaftem Weiß, gesäumt mit roten Seidenrosen – ein großer Name, doch, Gott möge ihm vergeben, kein großer Mann. Edmund Beauforts älterer Bruder hat sich in Frankreich zum Narren gemacht und ist zu Hause ebenso rasch wie passend gestorben, kurz bevor er des Verrats angeklagt werden konnte. Richard sagt, er habe den Tod von eigener Hand gefunden, und das sei das einzig Gute, was er je für seine Familie getan habe. Dieses Mädchen mit dem großen Namen und dem noch größeren Vermögen ist seine Tochter und die Nichte von Edmund Beaufort.
Ich bemerke, dass sie mich anstarrt, und schenke ihr ein Lächeln. Augenblicklich wird sie rot und strahlt. Sie flüstert ihrer Mutter etwas zu, fragt sie wohl, wer ich sei, und ihre Mutter kneift sie ganz zu Recht, sie solle aufrecht stehen und schweigen, wie es einem Mädchen am Hofe gebührt.
«Ich gebe Eure Tochter unter die Vormundschaft meiner geliebten Halbbrüder Edmund und Jasper Tudor», sagt der König zur Mutter des Mädchens, der Herzoginwitwe. «Sie kann bei Euch leben, bis es Zeit zum Heiraten ist.»
Amüsanterweise schaut die Kleine auf, als hätte sie eine Meinung dazu. Als niemand sie auch nur eines Blickes würdigt, flüstert sie ihrer Mutter noch einmal etwas zu. Sie ist ein liebes kleines Ding, das
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