Die Mutter der Königin (German Edition)
ist. Es ist acht Jahre her, dass Marguerite ihrer Mutter Lebewohl gesagt hat und nach England gekommen ist, um zu heiraten. Obwohl sie einander nie besonders nahegestanden haben, ist es ein Schlag für die junge Königin. Ich sehe sie in der Galerie mit Tränen in den Augen, Edmund Beaufort hält ihre Hände in den seinen. Ihr Kopf ist ihm zugewandt, als sei sie im Begriff, das Gesicht an seiner breiten Schulter zu verbergen und zu weinen. Als sie meine Schritte hört, wendet sie sich mir zu, die Hände noch in den seinen.
«Ihre Gnaden ist betrübt über die Nachricht aus Anjou», sagt der Herzog schlicht und führt Marguerite zu mir. «Geht mit Jacquetta», sagt er zärtlich. «Geht und lasst Euch von ihr einen Heiltrank geben, etwas gegen die Trauer. Es ist hart für eine junge Frau, ihre Mutter zu verlieren! Es ist so schade, dass Ihr ihr nicht mehr sagen konntet, dass …» Er unterbricht sich und legt die Hände der Königin in die meinen.
«Ihr habt doch gewiss etwas, was Ihr ihr geben könnt? Nicht wahr? Sie sollte sich nicht die Augen aus dem Kopf weinen.»
«Allseits bekannte Kräuter», sage ich vorsichtig. «Möchtet Ihr mitkommen und Euch eine Weile hinlegen, Euer Gnaden?»
«Ja», sagt Marguerite und lässt sich von mir in die Abgeschiedenheit ihrer Gemächer führen.
Ich bereite ihr einen Trank aus Johanniskraut, doch sie zögert vor dem Trinken. «Er wird doch dem Kind nicht schaden?»
«Nein», antworte ich. «Er ist sehr mild. Ihr solltet eine Woche lang jeden Morgen einen Becher davon trinken. Kummer wäre weit schlimmer für ein Ungeborenes, Ihr solltet alles daransetzen, ruhig und heiter zu bleiben.»
Sie nickt.
«Und seid Ihr sicher?», frage ich sie leise. «Die Hebammen haben mir gesagt, es sei so gut wie gewiss?»
«Ich bin mir sicher», sagt sie. «Ich werde es dem König nächste Woche sagen, wenn mein Monatsfluss wieder ausbleibt.»
Doch sie teilt es ihm nicht persönlich mit, sondern ruft seinen Kammerherrn zu sich.
«Ich habe eine Nachricht für den König», beginnt sie. In ihren dunkelblauen Trauerkleidern umweht sie ein gewisser Ernst, und es dauert mich, dass der Tod ihrer Mutter ihre strahlende Freude überschattet. Doch gewiss werden sie und der König in Hochstimmung sein, sobald sie es ihm erzählt. Ich nehme an, dass sie ihn in ihre Gemächer bitten wird. Doch sie fährt fort: «Bitte richtet dem König meine besten Empfehlungen und Wünsche aus und informiert ihn darüber, dass ich ein Kind erwarte.»
Richard Turnstall starrt sie an: Eine solche Nachricht hat er in seinem ganzen Leben noch nicht überbringen müssen. Kein königlicher Kammerherr hat je so eine Meldung überbracht. Er sieht mich ratsuchend an, doch ich kann ihm nur mit einem leichten Achselzucken bedeuten, dass er lieber gehen und dem König die Mitteilung seiner Gemahlin überbringen sollte.
Er verneigt sich und verlässt rückwärtsgehend den Raum. Die Wachen schließen die Tür leise hinter ihm.
«Ich ziehe mir lieber ein anderes Kleid an, der König wird mich sicher aufsuchen wollen», sagt sie.
Wir eilen in ihr Gemach und tauschen das dunkelblaue Kleid gegen ein blassgrünes, eine gute Farbe für den Frühling. Ihre Zofe hält ihr das Kleid auf, damit sie hineintritt, und ich sehe, dass ihr ehemals flacher Bauch gerundet ist und ihre Brüste das leinene Unterhemd ausfüllen. Das lässt mich unwillkürlich lächeln.
Wir rechnen damit, dass der König hereingeplatzt kommt, vor Freude strahlend, die Hände nach ihr ausgestreckt. Wir warten eine Stunde. Wir hören, wie der Nachtwächter die Stunden ausruft, und schließlich hören wir draußen Schritte. Die Wachen öffnen die Türen zu den Gemächern der Königin. Wir erheben uns, denn wir erwarten, dass der König hereingestürmt kommt, über sein ganzes jungenhaftes Gesicht strahlend. Doch es ist wieder Richard Tunstall, der Kammerherr des Königs, mit einer Antwort auf die Nachricht der Königin.
«Seine Gnaden bittet mich, Euch Folgendes auszurichten: Die Nachricht ist Uns eine einzigartige Aufmunterung und allen wahren Getreuen eine große Freude und Trost», sagt er, schluckt und sieht mich an.
«Ist das alles?», frage ich.
Er nickt.
Die Königin sieht ihn ausdruckslos an. «Kommt er zu mir?»
«Ich glaube nicht, Euer Gnaden.» Er räuspert sich. «Er hat sich so gefreut, dass er mich für die Überbringung der Nachricht belohnt hat», fügt er hinzu.
«Kommt er, um Ihre Gnaden vor dem Abendessen aufzusuchen?»
«Er hat seinen
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