Die Mutter der Königin (German Edition)
hinter ihre Linien zurück. Am Flussufer und sogar im Wasser regen sich verwundete Männer und rufen um Hilfe.
«Warum greifen sie nicht an?», will Marguerite wissen, die Zähne gebleckt, die Hände fest verschränkt. «Warum greifen sie denn bloß nicht wieder an?»
«Sie ordnen sich neu», erkläre ich. «Gott lasse Gnade über ihnen walten, sie wollen wieder angreifen.»
Und so sehen wir zu, wie die Reiter, die von der lancastrianischen Truppe noch übrig sind, hügelabwärts in mutigem Tempo wieder angreifen. Noch einmal müssen sie durch den Fluss, doch dieses Mal kennen sie die Gefahr, sie zwingen die Pferde ins Wasser und wagen einen großen Sprung das steile Ufer hinauf, spornen sie an bis vor die yorkistische Linie, und die Schlacht beginnt von neuem.
Ihnen folgen die Fußsoldaten, mein Sohn und mein Gemahl unter ihnen. Ich kann sie nicht ausmachen, sehe nur die Bewegung der lancastrianischen Linie, die wie eine Welle vorwärtsrollt, sich durch den Strom kämpft und sich am Fels der yorkistischen Linie bricht, die standhält und kämpft. Sie schlagen sich, bis unsere Linie zurückfällt und die Männer an den Flügeln wegbrechen.
«Was tun sie?», fragt die Königin ungläubig.
«Wir verlieren», antworte ich. Ich höre meine eigene Stimme, aber ich kann es nicht glauben, nicht für einen Augenblick. Ich kann nicht glauben, dass ich von hier oben, hoch wie ein Adler, weit fort wie eine kreischende Möwe, die Niederlage meines Gemahls mit ansehe, womöglich gar den Tod meines Sohnes. «Wir verlieren. Unsere Männer fliehen, es ist eine Niederlage. Wir haben uns für unschlagbar gehalten, aber wir verlieren.»
Es wird allmählich dunkel, wir können immer weniger sehen. Plötzlich wird mir bewusst, in welch schrecklicher Gefahr wir sind, und dass wir uns durch unsere Tollkühnheit selbst in diese Lage gebracht haben. Wenn die Schlacht verloren ist und die yorkistischen Soldaten hinter den lancastrianischen Lords herjagen, sie auf den Straßen zu Tode hetzen, werden sie in dieses Dorf kommen, diesen Turm hinaufstürmen und den größten Preis der Schlacht finden: die Königin. Wenn sie die Königin in ihrer Gewalt haben und Kontrolle über den Prinzen und den König ausüben können, ist unsere Sache für immer verloren. Und ich habe sie verloren, weil ich mich von ihr überreden ließ, zu dieser Kirche zu kommen und den Turm zu ersteigen, um mir eine Schlacht auf Leben und Tod anzusehen, als sei es ein hübsches Turnier.
«Wir müssen gehen», sage ich abrupt.
Sie rührt sich nicht, sondern starrt nur ins graue Zwielicht. «Ich glaube, wir siegen», sagt sie. «Ich glaube, wir haben ihre Linien durchbrochen.»
«Wir siegen nicht, und wir durchbrechen keine Linien, wir fliehen, und sie jagen hinter uns her», sage ich grob. «Marguerite, kommt jetzt.»
Sie dreht sich um, überrascht, dass ich sie beim Vornamen nenne, und ich packe ihre Hand und zerre sie zur Treppe. «Was glaubt Ihr eigentlich, was sie mit Euch machen werden, wenn sie Euch zu fassen kriegen?», frage ich sie. «Sie werden Euch für immer im Tower einsperren. Oder noch schlimmer, sie brechen Euch das Genick und behaupten, Ihr wärt vom Pferd gefallen. Kommt jetzt!»
Plötzlich wird ihr die Gefahr bewusst. Sie rast die Treppe hinunter, dass ihre Schuhe auf den Steinstufen klappern. «Ich gehe allein», sagt sie angespannt. «Ich gehe zurück nach Eccleshall. Ihr müsst sie aufhalten.»
Sie läuft vor mir her zur Schmiede, wo der Schmied gerade die Hufeisen aufnagelt.
«Nagelt sie falsch herum auf», fährt sie ihn an.
«Was?», fragt er.
Sie gibt ihm eine silberne Münze aus ihrer Tasche. «Rückwärts herum», sagt sie. «Nagelt sie falsch herum auf. Schnell. Für jedes Eisen zwei Nägel.» Zu mir sagt sie: «Wenn sie mir folgen, finden sie keine Spur. Sie sehen nur Pferde, die hergekommen sind, sie werden nicht begreifen, dass ich schon fort bin.»
Ich merke, dass ich sie anstarre, die Königin aus meiner Vision, deren Pferd die Hufeisen falsch herum trägt. «Wohin gehen wir?»
«Ich gehe», sagt sie. «Zurück nach Eccleshall. Ich hole den Prinzen und den König ab und mobilisiere die Hauptarmee, um den Earl of Salisbury zu jagen, bis nach Ludlow, wenn es sein muss.»
«Und was soll ich tun?»
Sie sieht den Schmied an. «Beeil dich! Mach schnell!»
«Was soll ich tun?»
«Würdet Ihr hierbleiben? Und ihnen, wenn sie hier durchkommen, erklären, ich wollte zu meiner Armee in Nottingham stoßen?»
«Ihr lasst mich hier
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