Die Mutter der Königin (German Edition)
meine Mutter. «Nur eine Närrin wäre nicht begeistert. Sämtliche Mädchen in Frankreich und England würden für so eine Partie ihre rechte Hand geben.» Sie zögert und räuspert sich. «Er ist der größte Mann in Frankreich und nach dem König der größte in England. Und sollte der König sterben …»
«Was Gott verhindern möge …», wirft mein Vater hastig ein.
«Was Gott verhindern möge. Ja, aber wenn der König sterben sollte, dann wäre der Herzog der Thronerbe, und du wärst Königin von England. Also, was hältst du davon, Jacquetta?»
«Ich habe eigentlich nie an eine Ehe mit einem Mann wie dem Herzog gedacht.»
«Dann tu es jetzt», sagt mein Vater aufgeräumt. «Denn er kommt im April, um dich zur Frau zu nehmen.»
Mein Onkel Louis, Bischof von Therouanne und Kanzler des Herzogs, ist bei dieser von ihm eingefädelten Eheschließung sowohl Gastgeber als auch Priester. Er lädt uns in seinen Bischofspalast ein, und John, Duke of Bedford, reitet mit seiner Garde in der rot-weißen englischen Livree ein. Ich stehe in einem hellgelben Kleid und mit einem goldfarbenen Schleier an meinem hohen Hennin in der Tür des Palastes.
Sein Page prescht vor, um das Pferd festzuhalten, ein weiterer lässt sich auf alle viere nieder, damit der Herzog absitzen kann. Er steigt schwerfällig vom Pferd, tritt aus den Steigbügeln auf den Rücken des Burschen, dann auf den Boden. Niemand macht eine Bemerkung darüber. Der Herzog ist ein großer Mann, die Pagen betrachten es als Ehre, wenn er mit seinen schweren Stiefeln auf sie steigt. Sein Edelknecht nimmt ihm den Helm und die Panzerhandschuhe ab und tritt zur Seite.
«Mylord.» Mein Onkel begrüßt seinen Herrn mit offenkundiger Zuneigung, verbeugt sich und küsst ihm die Hand. Der Herzog schlägt ihm auf den Rücken, dann richtet er sich an meine Eltern. Erst als diese Höflichkeitsbezeugungen ausgetauscht worden sind, wendet er sich mir zu. Er tritt vor, nimmt mich bei den Händen, zieht mich an sich und küsst mich auf den Mund.
Sein Kinn ist rau und stachelig, sein Atem riecht schlecht; es ist, wie von einem Hund abgeleckt zu werden. Sein Gesicht kommt mir sehr groß vor, als er sich über mich beugt, und sehr groß, als er zurücktritt. Er nimmt sich nicht die Zeit, mich anzusehen oder zu lächeln, nur dieser eine grobe Kuss, dann sagt er, an meinen Onkel gewandt: «Habt Ihr keinen Wein?» Sie lachen über den alten Witz aus langen Jahren der Freundschaft, und mein Onkel führt ihn hinein. Meine Mutter und mein Vater folgen ihnen, und ich bleibe einen Augenblick allein zurück und schaue den Älteren hinterher, den Edelknecht an meiner Seite.
«Mylady», grüßt er mich. Die Rüstung des Herzogs hat er einem anderen übergeben, jetzt verbeugt er sich mit gelüfteter Kappe vor mir. Sein dunkles Haar ist über der Stirn gerade geschnitten, seine Augen sind grau wie Schiefer, vielleicht auch blau. Sein Lächeln ist etwas schief, als würde er sich über etwas amüsieren. Er sieht vortrefflich aus, ich höre, wie die Hofdamen hinter mir murmeln. Er verbeugt sich erneut und bietet mir seinen Arm an, um mich hineinzugeleiten. Ich lege meine Hand auf die seine und spüre durch das weiche Leder des Handschuhs ihre Wärme. Sogleich streift er den Handschuh ab und nimmt mich bei der Hand. Fast möchte ich, dass er seine warme Handfläche an meine schmiegt. Ich möchte, dass er mich bei den Schultern nimmt, meine Taille umfasst.
Doch ich schüttele den Kopf, um diese albernen Gedanken abzuschütteln. Abrupt wie ein unbeholfenes Mädchen sage ich: «Ich gehe alleine hinein, danke schön», lasse ihn los und folge den anderen.
Die drei Männer sitzen beim Wein, meine Mutter hat in einer Fensterlaibung Platz genommen und sieht den Dienern zu, wie sie kleine Tartes servieren und Wein nachschenken. Mit ihren Hofdamen und meinen beiden kleinen Schwestern, die an diesem wichtigen Tag in ihren besten Kleidern bei den Erwachsenen sein dürfen, geselle ich mich zu ihr. Ich wünschte mir, ich wäre acht wie Isabelle, könnte den Duke of Bedford ansehen und über seine Größe staunen und wüsste, dass er mich überhaupt nicht bemerken würde. Doch ich bin kein kleines Mädchen mehr, und als ich den Blick auf ihn richte, bemerkt er mich sehr wohl. Er sieht mich mit erwartungsvoller Neugier an, und dieses Mal kann ich mich nirgends vor ihm verstecken.
In der Nacht vor der Hochzeit kommt meine Mutter in mein Gemach. Sie bringt meine Robe für den nächsten Tag und legt
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