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Die Mutter der Königin (German Edition)

Die Mutter der Königin (German Edition)

Titel: Die Mutter der Königin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Gemüse in die Küche, und Schlachter mit großen Keulen über der Schulter weichen vor mir zurück und verbeugen sich. Die Melkerinnen, die mit Eimern an ihren Schultertragen von den Weiden kommen, sinken so tief in den Knicks, dass die Milchkübel auf das Pflaster knallen. Ich beachte sie nicht, ja, ich nehme sie kaum wahr. Erst seit ein paar Wochen bin ich Herzogin, doch schon habe ich mich an die übertriebenen Verbeugungen gewöhnt, mit denen ich auf Schritt und Tritt gegrüßt werde, und an das ehrerbietige Murmeln meines Namens, wenn ich vorübergehe.
    «Was wäre denn Euer größter Wunsch?», fragt mich Woodville. Wenigstens er dient mir nicht in ehrfürchtigem Schweigen. Sein Selbstvertrauen rührt daher, dass er die rechte Hand meines Gemahls ist, seit er ein Junge war. Sein Vater hat dem englischen König Henry V. gedient und dann meinem Gemahl, dem Herzog. Woodville, aufgewachsen in Diensten des Herzogs, ist für ihn unter den Edelknechten derjenige, dem er am meisten vertraut und der ihm am meisten am Herzen liegt, und so hat er ihn zum Befehlshaber von Calais ernannt und ihm den Schlüssel zu Frankreich anvertraut.
    «Eine neue Sänfte?», frage ich. «Eine mit goldenen Vorhängen und Pelzen?»
    «Vielleicht. Wünscht Ihr Euch wirklich nichts sehnlicher als das?»
    Ich halte inne. «Ein Pferd? Hat er ein Pferd gekauft, ganz allein für mich?»
    Er wirkt nachdenklich. «Welche Farbe würde Euch am besten gefallen?»
    «Ein Grauer!», sage ich voller Sehnsucht. «Ein wunderschön geschecktes graues Pferd mit einer Mähne wie weiße Seide und dunklen, fesselnden Augen.»
    «Fesselnd?» Er erstickt fast an seinem Lachen. «Fesselnde Augen?»
    «Ihr wisst schon, was ich meine, Augen, die aussehen, als könnte das Pferd einen verstehen, als würde es überlegen.»
    Er nickt. «Ja, ich weiß, was Ihr meint.»
    Er reicht mir den Arm und führt mich um einen mit Piken beladenen Karren herum, und dann gehen wir an der Rüstkammer vorbei, wo der Waffenmeister mit einem Kerbstock eine neue Lieferung zählt. Hunderte, ja, Tausende von Piken werden abgeladen, bald beginnt wieder die Zeit der Feldzüge. Kein Wunder, dass mein Gemahl mich jeden Tag vor den Spiegel setzt, damit ich wahrsage, und mich befragt, welcher Ort sich am besten für einen Angriff eignet. Wir sind im Krieg, wir sind ununterbrochen im Krieg. Niemand von uns hat je in einem Land gelebt, in dem Frieden herrschte.
    Wir gehen durch den Bogengang auf den Stall zu, und Woodville tritt zurück, um mein Gesicht zu sehen, als ich über den Hof blicke. Jedes Pferd hat einen eigenen Verschlag nach Süden, damit die Mauern sich tagsüber erwärmen können. Mein Blick schweift über die vier großen Schlachtrösser meines Gemahls, die die nickenden Köpfe über die Stalltüren strecken. Daneben Woodvilles starkes Turnierpferd und seine anderen Pferde für die Jagd und für Botenritte. Dann fällt mein Blick auf den wunderschönen Kopf eines Grauen, so hell, dass er im Sonnenschein fast silbern schimmert. Er ist kleiner als die anderen, mit hellen Ohren, die sich hierhin und dahin drehen.
    «Ist das meins?», frage ich Woodville flüsternd. «Ist das graue Pferd für mich?»
    «Sie gehört Euch», sagt er fast ehrerbietig. «So schön und von so edler Abstammung wie ihre Herrin.»
    «Eine Stute?»
    «Selbstverständlich.»
    Ich gehe näher, und sie spitzt die Ohren und lauscht auf meine Schritte, auf meine gurrende Stimme. Woodville steckt mir einen Kanten Brot in die Hand. Ich trete zu ihr und betrachte die dunkel schimmernden Augen, den wunderschönen geraden Kopf und die silberne Mähne – die ich eben beschrieben habe, als hätte ich Magie gewirkt und sie herbeigezaubert. Als ich die Hand ausstrecke, bläht sie die Nüstern und schnuppert daran, und dann frisst sie das Brot vorsichtig aus meiner Hand. Ich rieche ihr warmes Fell, ihren Haferatem, den behaglichen Duft der Scheune.
    Woodville öffnet mir die Stalltür, und ich trete ohne Zögern ein. Die Stute macht mir Platz und beschnuppert mich, die Taschen meines Kleids, meinen Gürtel, meine weiten Ärmel und meine Schultern, meinen Hals und mein Gesicht. Und während sie an mir schnuppert, wende ich mich ihr zu, als wären wir zwei Tiere, die sich einander nähern. Langsam und behutsam strecke ich die Hand aus, und sie senkt den Kopf, damit ich sie streicheln kann.
    Ihr Hals ist warm, ihr Fell seidig, die Haut hinter den Ohren weich und zart, und sie erlaubt mir, ihr die Mähne über den Hinterkopf zu

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