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Die Mutter der Königin (German Edition)

Die Mutter der Königin (German Edition)

Titel: Die Mutter der Königin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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streichen. Dann hebt sie den Kopf, und ich fahre über ihre geblähten Nüstern, die weiche, zarte Haut ihres Mauls, ihre warmen Lippen, und lege die Hand unter ihr kräftiges Kinn.
    «Ist es Liebe?», fragt Woodville leise von der Tür. «Von hier aus sieht es so aus.»
    «Es ist Liebe», flüstere ich.
    «Eure erste Liebe», sagt er.
    «Meine einzige», flüstere ich ihr zu.
    Er lacht wie ein nachsichtiger Bruder. «Dann müsst Ihr ein Gedicht ersinnen und es ihr vorsingen wie eine Troubadoura. Doch auf welchen Namen hört Eure schöne Dame?»
    Ich betrachte sie nachdenklich, wie sie langsam zur Krippe geht und Heu frisst, aus dem der Duft der Weide steigt. «Mercury», sage ich. «Ich glaube, ich nenne sie Mercury.»
    Er sieht mich seltsam an. «Das ist kein guter Name. Die Alchemisten reden dauernd von Mercurium, von Quecksilber», sagt er. «Ein Gestaltwandler, ein Bote der Götter, eine der drei wichtigsten Zutaten für ihre Arbeit. Manchmal ist Quecksilber hilfreich, manchmal nicht, ein Gefährte Melusines, der Wassergöttin, die auch ihre Gestalt verändert. Ein Bote, dessen man sich bedient, wenn sonst keiner da ist, aber nicht immer verlässlich.»
    Ich zucke die Achseln. «Ich habe genug von der Alchemie», beharre ich. «Hier im Stallhof hat sie nichts zu suchen. Ich nenne sie Merry, aber sie und ich kennen ihren wahren Namen.»
    «Und ich», sagt er, doch da habe ich ihm schon den Rücken zugekehrt, um ihr ein paar Heubüschel zu reichen.
    «Ihr zählt nicht», murmele ich.

    Vormittags reite ich auf meinem Pferd aus, eine bewaffnete Eskorte von zehn Mann vor mir und zehn Mann hinter mir, Woodville an meiner Seite. Wenn wir durch die Straßen von Paris reiten, wenden wir den Blick ab von den Bettlern, die in der Gosse verhungern. Wir achten auch nicht auf die Menschen, die uns flehend die Hände entgegenstrecken. In der Stadt herrscht schreckliche Armut, und das Land ist verwüstet, die Bauern können ihre Erzeugnisse nicht auf den Markt schaffen, und die Feldfrüchte werden immer wieder von Soldaten niedergetrampelt. Die Männer laufen aus ihren Dörfern fort und verstecken sich in den Wäldern, weil sie Angst haben, eingezogen oder als Verräter gehängt zu werden, und so bleibt es den Frauen überlassen, die Felder zu bestellen. Für Brot wird in der Stadt mehr verlangt, als ein Mann verdienen kann, und abgesehen davon gibt es keine Arbeit; es bleibt nur, Soldat zu werden, und die Engländer können den Sold schon wieder nicht bezahlen. Woodville gibt Befehl, im Handgalopp durch die Straßen zu reiten, aus Angst vor Dieben und Krankheiten. Meine Vorgängerin, Herzogin Anne, ist an einem Fieber gestorben, nachdem sie einem Krankenhaus einen Besuch abgestattet hatte. Und so hat mein Lord mir befohlen, nicht einmal mit einem Armen zu sprechen, und Woodville scheucht mich durch die Straßen. Ich atme erst wieder ein, wenn wir zu den Stadttoren hinaus sind und durch den fruchtbaren Landstrich zwischen der Stadtmauer und dem Fluss reiten, wo einst gut bestellte Gärten lagen. Erst dort befiehlt Woodville der Eskorte, abzusitzen und auf uns zu warten, während wir hinunter zum Fluss reiten und den Treidelpfad am plätschernden Wasser nehmen, als wären wir ein Paar, das in Friedenszeiten durch eine schöne Landschaft reitet.
    Wir traben nebeneinanderher und plaudern über Belanglosigkeiten. Er lehrt mich das Reiten. Ich habe noch nie ein so wunderbares Pferd wie Merry geritten, und er korrigiert meinen Sitz und zeigt mir, wie ich die Zügel annehmen muss, damit sie den Hals biegt und die Schritte verlängert. Er zeigt mir auch, wie er einen Angriff reitet: Weit über den Hals des Pferdes gebeugt, prescht er vor mir den Weg hinunter und kommt wieder auf uns zugedonnert, und erst im letzten Augenblick zieht er die Zügel an. Merry weicht aus und tänzelt auf der Stelle. Er bringt mir das Springen bei. Dazu steigt er vom Pferd und zieht kleine Äste über den einsamen Weg, die er immer höher schichtet, je mutiger ich werde. Er bringt mir das bei, was sein Vater ihn auf den Landstraßen von England gelehrt hat, und lässt mich Reitübungen machen, die mein Gleichgewicht und meinen Mut verbessern: seitlich wie ein Mädchen im Damensattel zu sitzen, mich rücklings quer über das Pferd zu legen, den Sattel im Kreuz, während das Pferd dahintrottet, kerzengerade zu sitzen und einen Arm gen Himmel zu recken, dann auch den anderen, mich ganz vorzubeugen und die Steigbügel zu berühren. Alles, um das Pferd damit

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