Die Mutter der Königin (German Edition)
lassen.»
«Scht», warne ich ihn, denn meine Hofdamen sitzen mit ihrem Nähzeug in der Nähe und unterhalten sich. Sie sind daran gewöhnt, dass Richard Woodville jeden Tag in meine Gemächer kommt. Es gab viel zu planen und vorzubereiten, und Richard hat mir immer aufgewartet.
«Aber es stimmt», sagt er leiser. «Ich kann dich nicht gehen lassen, Jacquetta.»
«Dann halt mich fest», antworte ich und blicke lächelnd auf meine Handarbeit.
«Der König wird dich nach England rufen», sagt er. «Ich kann dich doch nicht einfach entführen.»
Ich werfe einen kurzen Blick auf sein grimmiges Gesicht. «Doch, entführ mich einfach», fordere ich ihn heraus.
«Ich denke mir etwas aus», verspricht er.
In der Nacht nehme ich das Armband mit den Glücksbringern, das mir meine Großtante geschenkt hat und mit dem man die Zukunft vorhersagen kann. Ich wähle einen Glücksbringer aus, der wie ein Ring geformt ist – wie ein Ehering –, einen, der wie ein Schiff aussieht und als Symbol für meine Reise nach England stehen soll, und einen, der mich an die Burg St. Pol erinnert, falls ich nach Hause bestellt werde. Ich will sie an Fäden binden, sie in das tiefe Wasser der Seine versenken und abwarten, welcher mir in die Hand fällt, wenn der Mond gewechselt hat. Ich mache mich daran, die Glücksbringer festzuknoten, doch dann halte ich inne und lache. Nein, ich werde das nicht tun. Es gibt keinen Grund dafür.
Ich bin jetzt eine Frau der Erde, kein Mädchen des Wassers. Ich bin keine Jungfrau mehr, sondern eine Geliebte. Ich habe kein Interesse an der Wahrsagerei. Ich nehme meine Zukunft in die Hand, ich sage sie nicht voraus. Ich brauche keinen Glücksbringer, der mir sagt, was ich mir erhoffe. Ich werfe den goldenen Glücksbringer, der wie ein Ehering aussieht, in die Luft und fange ihn wieder auf. Das ist meine Wahl. Um mir mein Verlangen zu offenbaren, brauche ich keine Magie. Der Zauber wirkt bereits, ich bin verliebt, ich habe mich mit einem Mann der Erde verbunden, und diesen Mann gebe ich nicht auf. Ich muss nur überlegen, wie wir zusammenbleiben können.
Ich lege das Armband zur Seite und schreibe dem König von England einen Brief.
Die Herzoginwitwe von Bedford an Seine Gnaden, den König von England und Frankreich:
Euer Gnaden und lieber Neffe, ich grüße Euch. Wie Ihr wisst, hat mir mein verstorbener Lord als Witwengabe Länder und Gelder in England hinterlassen. Mit Eurer gütigen Zustimmung beabsichtige ich, nach Hause zurückzukehren und meine Angelegenheiten zu ordnen. Der Oberstallmeister meines Lords, Sir Richard Woodville, wird mich und meinen Haushalt begleiten. Ich erwarte Eure königliche Erlaubnis.
Ich stecke das Armband zurück in das Säckchen und lege es in den Schmuckkasten. Ich brauche keinen Zauberspruch, um die Zukunft vorherzusehen, ich werde sie einfach wahr machen.
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England
SOMMER 1436
D er englische Hof geht seinen Sommerbeschäftigungen nach: Man jagt, reist und tändelt herum. Der junge König von England beginnt und endet seine Tage im Gebet, doch den Rest des Tages verbringt er sorglos wie ein Junge zu Pferde. Richard und ich begleiten ihn als Gefährten und Freunde, wir jagen, tanzen, spielen Sommerspiele und schließen uns dem Hof an. Niemand weiß, dass Richard jede Nacht heimlich in mein Gemach kommt und dann der schönste Teil des Tages beginnt, die einzige Zeit, da wir allein sind.
Meine Witwenländer werden auf meinen Namen überschrieben, aber der Großteil des gewaltigen Vermögens meines Lords fällt an seinen Neffen, den König. Unser Haus in Paris haben wir an den König der Armagnaken verloren, dessen Stern seit dem Tode meines Lords im Aufstieg begriffen ist. Das geliebte Haus meines Lords in Penshurst ist an seinen Bruder Humphrey, Duke of Gloucester, gefallen, und Eleanor Cobham, die Hofdame, die ihre Herrin verraten hat, spaziert jetzt die schönen Alleen hinunter und bewundert die Rosen im Garten, als sei sie es wert. Sie wird die Kräuter schneiden, die ich gepflanzt habe, sie wird sie in meinem Destillationsraum aufhängen, sie wird meinen Platz in der Halle einnehmen. Kein Verlust aus meiner Ehe geht mir nah, nur der dieses Hauses.
Die beiden, der gutaussehende Herzog und seine schöne Gemahlin, brennen vor Stolz, und dies ist ihr Sommer der Herrlichkeit. Nach dem Ableben meines Gemahls sind sie die Nächsten in der Thronfolge, und sooft der junge König beim Abendessen hustet oder auf ein wildes Pferd steigt, schnellt der
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