Die Mutter der Königin (German Edition)
sich warten. Schon am nächsten Tag, als Richard und ich an ihrem Tisch im King’s Head in Cheapside speisen, kommt ihr Haushofmeister herein und flüstert ihr etwas ins Ohr. Sie wird blass, dann sieht sie mich an, als wollte sie mir etwas sagen, steht wortlos auf und geht hinaus. Wir Zurückgebliebenen sehen uns an, und ihre Hofdame steht auf und will ihr folgen, doch sie zögert. Richard, der unter den Gentlemen platziert war, bedeutet mir, sitzen zu bleiben, und verlässt unauffällig den Saal. Doch er kommt sofort wieder herein – inzwischen ist die erschrockene Stille aufgeregten Spekulationen gewichen –, lächelt meinen Nachbarinnen entschuldigend zu und nimmt mich bei der Hand.
Draußen wirft er mir seinen Umhang über die Schultern. «Wir gehen nach Westminster», sagt er. «Man soll uns nicht mehr in der Nähe der Herzogin sehen.»
«Was ist passiert?», frage ich und nestele noch an den Bändern des Umhangs, als er mich schon die Straße hinunterzieht. Wir springen über den fauligen Graben in der Mitte der Fahrspur, und er stützt mich auf den glitschigen Stufen zum Fluss. Auf seinen Pfiff kommt eine Jolle angefahren, und er hilft mir hinein. «Leg ab», sagt er über die Schulter zum Bootsmann. «Zur Treppe von Westminster.»
«Was ist los?», flüstere ich.
Er beugt sich vor, damit der Bootsmann uns nicht hören kann. «Der Sekretär und der Geistliche der Herzogin sind verhaftet worden.»
«Warum?»
«Zauberei, Astronomie, Wünschelrutengehen und so weiter. Ich habe nur ein Gerücht gehört, aber das hat mir gereicht, um dich aus dem Ganzen herauszuhalten.»
«Mich?»
«Sie liest Alchemiebücher, ihr Mann beschäftigt mehr als einen Physikus, man erzählt sich, sie habe ihn mit Liebestränken verführt. Sie unterhält sich mit Gelehrten und Magiern, und sie ist eine königliche Herzogin. Erinnert dich das nicht an jemanden aus deiner unmittelbaren Bekanntschaft?»
«An mich?» Ich zittere, während die Ruder leise ins kalte Wasser getaucht werden und der Bootsmann Richtung Treppe rudert.
«Ja, an dich», bestätigt Richard. «Kennst du Roger Bolingbroke, den Gelehrten aus Oxford? Er gehört ihrem Haushalt an.»
Einen Moment denke ich nach. «Mein Lord kannte ihn, nicht wahr? Ist er nicht einmal nach Penshurst gekommen? Und hat er damals nicht ein geomantisches Schild mitgebracht und meinen Lord in die Kunst der Geomantie eingewiesen?»
Das Boot stößt leicht gegen die Treppen des Westminster Palace, und mein Gemahl hilft mir die Holzstufen hoch zum Pier. Ein Diener erhellt uns mit einer Fackel den Weg durch die Gärten bis zum Flusstor.
«Er ist verhaftet worden», berichtet Richard.
«Weswegen?»
«Ich weiß es nicht. Wenn ich dich sicher in unseren Gemächern weiß, gehe ich hinaus und schaue, was ich herausfinden kann.»
Unter dem Torbogen des Eingangs nehme ich seine kalte Hand in meine. «Was befürchtest du?»
«Noch nichts», sagt er wenig überzeugend, dann nimmt er meinen Arm und geleitet mich zum Palast.
In der Nacht kommt Richard zurück und erklärt, niemand wisse, was vor sich gehe. Aus dem Haushalt der Herzogin sind drei Männer, die ich kenne und täglich grüße, verhaftet worden. Der Gelehrte Roger Bolingbroke, der uns in Penshurst besucht hat, der Kaplan der Herzogin, der in meiner Anwesenheit Dutzende Male die Messe zelebriert hat, und einer der Stiftsherren von St. Stephen aus diesem Palast. Man beschuldigt sie, ein Horoskop für Eleanor gezeichnet zu haben. Es soll den Tod des jungen Königs und sie als Thronerbin vorausgesagt haben.
«Hast du je ein Horoskop für den König gesehen?», fragt mein Gemahl mich ernst. «Er hat den Palast verlassen und ist mit den engsten Ratgebern nach Sheen aufgebrochen. Uns wurde befohlen hierzubleiben. Wir stehen alle unter Verdacht, er hasst solche Sachen, sie verschrecken ihn. Sein Rat wird herkommen und Fragen stellen. Sie könnten auch bei uns vorsprechen. Mein Lord Bedford hat dir doch niemals ein Horoskop für den König gezeigt, oder?»
«Du weißt doch, dass er Horoskope für alle gezeichnet hat», erwidere ich leise. «Erinnerst du dich an die Maschine, die über der Karte von Frankreich hing und die die Positionen der Sterne angezeigt hat? Damit konnte er die Konstellation der Sterne bei einer Geburt nachvollziehen. Er hat ein Horoskop für mich angefertigt. Er hat sein eigenes gezeichnet. Wahrscheinlich auch eines für dich. Mit Sicherheit wird er auch eines für den König erstellt haben.»
«Und wo sind die
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