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Die Mutter der Königin (German Edition)

Die Mutter der Königin (German Edition)

Titel: Die Mutter der Königin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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der Hofdame – Elizabeth Flyte ist es – sagt: «Ach, macht Euch nicht lächerlich. Ich habe zum Himmel gesehen. Man sah doch, dass ein Gewitter aufzog.»
    Elizabeth erhebt sich, knickst und sagt: «Entschuldigt mich, Mylady …»
    «Wohin geht Ihr?»
    «Entschuldigt mich, Mylady …»
    «Ihr dürft Euch nicht ohne meine Erlaubnis entfernen», sagt die Herzogin schroff. Aber die Frau ist schon über ihren Schemel gestolpert, so eilig hat sie es, zur Tür zu kommen. Zwei andere erheben sich, unsicher, ob sie bleiben oder fliehen sollen.
    «Setzt Euch! Setzt Euch!», kreischt die Herzogin. «Ich befehle es!»
    Elizabeth reißt die Tür auf und stürzt aus dem Zimmer, während die anderen Frauen auf ihre Stühle sinken und eine sich schnell bekreuzigt. Ein Blitz erhellt die Szene mit seinem eisigen Licht.
    Herzogin Eleanor wendet sich mit verstörtem, kreidebleichem Gesicht an mich. «Um Himmels willen, ich habe nur gen Himmel geblickt und gesehen, dass ein Gewitter aufzieht. Es gibt keinen Grund für all dies. Ich habe einfach nur den Regen kommen sehen, das ist alles.»
    «Ich weiß», sage ich. «Ich weiß, dass das alles war.»

    Keine halbe Stunde später ist der Palast verbarrikadiert. Man nennt das Unwetter einen Hexenwind, der mit dem Regen den Tod bringt. Keinen Tag später verkündet der König, seine Tante, die Herzogin, dürfe ihm nicht mehr vors Angesicht treten. Der Gelehrte aus Oxford, der Freund meines ersten Mannes, der uns in Penshurst besucht hat, wird vom Rat befragt und bekennt sich der Häresie und Magie schuldig. Man stellt ihn aus wie einen gefangenen Bären. Der arme Roger Bolingbroke – ein Gelehrter durch und durch, ein Mann der Bücher mit großem Interesse an den Geheimnissen der Welt und der Gestirne – wird an St. Paul’s Cross in London auf ein Gerüst gebunden wie auf ein Schafott und muss einen Sermon über sich ergehen lassen. Gegen ihn und all die Hexen und Zauberer, Geisterbeschwörer und Häretiker, die das Leben und den Frieden des Königs bedrohen, die in seine schwärende Stadt drängen, durch die Häfen eindringen, sich in Dörfern auf dem Lande verstecken, wo sie Übles anrichten, im Großen wie im Kleinen. Es wird verkündet, dass es Tausende schlechter Männer und Frauen gibt, die dem König mit ihren Schwarzen Künsten schaden wollen: Kräuterweiber, weise Frauen, Lügner, Ketzer, Mörder. Der König weiß, dass sie dort sind, dass Tausende von Übelwollenden sich gegen ihn verschworen haben. Nun glaubt er, eine Verschwörung im Herzen seines Hofes aufgedeckt zu haben, im Herzen seiner ungemein ehrgeizigen Familie.
    Wir ziehen im Kreis an Bolingbroke vorbei, starren ihn in seiner Schande an, als sei er ein Tier aus Afrika, irgendein wildes Untier. Er hält die Augen gesenkt, damit er die übereifrigen Mienen nicht sehen, seine ehemaligen Freunde nicht erkennen muss. Der Mann, der sein Leben dem Studium gewidmet hat, der über die Harmonie der Welt geforscht hat, sitzt nun auf einem bemalten Stuhl und trägt eine Papierkrone, inmitten seiner Gerätschaften und seiner Bücher, als sei er ein Narr. Sie haben ihm seine geomantische Tafel vor die Füße gestellt, daneben eine Reihe besonders geformter Kerzen. Dazu Zeichnungen der Positionen der Planeten und das Horoskop, das er auf ihr Geheiß für die Herzogin angefertigt hat. Ein kleiner Globus, um den die Planeten kreisen, Messingformen zum Gießen kleiner Figuren, ein Destillationsapparat und Wachstabletts, um Blumen ihren Duft zu entziehen. Doch das Schlimmste ist eine kleine hässliche Wachskreatur, die am ehesten noch an ein zu früh geborenes Kaninchen erinnert.
    Ich fahre zusammen, als ich diese Figur sehe, doch Richard legt mir seinen starken Arm um die Taille. «Sieh es nicht an», rät er mir.
    Ich schaue weg. «Was ist das?»
    «Das Wachsabbild des Königs. Das auf dem Kopf soll eine kleine Krone sein, und der goldene Faden stellt das Zepter dar, die kleine Kugel den Reichsapfel.»
    Das Gesicht verzerrt, die Füße formlos. Ich kann die Konturen des Umhangs erkennen und Pünktchen, die die Fellzeichnung des Hermelinpelzes andeuten sollen, aber der Kopf ist fast unkenntlich. «Was haben sie damit gemacht?»
    «Sie haben die Figur übers Feuer gehalten und zum Schmelzen gebracht. Dadurch sollte der König seine Kraft verlieren. Sie wollten ihn vernichten, so wie sie sein Abbild zerschmolzen haben.»
    Ich schaudere. «Können wir noch nicht gehen?»
    «Nein», sagt er. «Wir müssen hierbleiben, um unseren

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