Die Mutter der Königin (German Edition)
jetzt?», fragt Richard knapp.
«Ich habe sie dem Duke of Gloucester gegeben.» Langsam geht mir das Entsetzliche daran auf. «O Richard! Ich habe ihm alle Horoskope und Karten übergeben. Er hat behauptet, er fände sie interessant. Ich habe nur die Bücher behalten, die wir jetzt zu Hause haben. Auch die Ausrüstung und die Maschinen habe ich ihm überlassen.» Ich schmecke Blut im Mund, denn ich habe mir auf die Lippe gebissen. Ich lege den Finger auf die brennende Haut. «Glaubst du, die Herzogin hat das Horoskop des Königs an sich genommen? Werden sie mich mit den Anklagen in Verbindung bringen, weil ich ihrem Gemahl das Horoskop des Königs gegeben habe?»
«Vielleicht», ist alles, was er sagt.
Wir warten ab. Die Sommersonne brennt auf die Stadt herab, und aus den Armenvierteln beim stinkenden Fluss gibt es erste Berichte über Pestfälle. Es ist unerträglich heiß. Ich will nach Hause, nach Grafton zu meinen Kindern, aber der König hat befohlen, dass wir alle am Hof zu bleiben haben. Niemand darf London verlassen, dabei ist es hier, als brächte man einen Schmortopf zum Kochen. Und während die heiße Luft auf die Stadt drückt wie ein Deckel auf einen Kessel, erwartet der König zitternd vor Unruhe die Aufdeckung des Komplotts gegen ihn durch seinen Kronrat. Er ist ein junger Mann, der keine Gegner duldet, ihre bloße Anwesenheit trifft ihn bis ins Mark. Er ist von Höflingen und Schmeichlern aufgezogen worden, er erträgt den Gedanken nicht, dass es jemanden geben könnte, der ihn nicht liebt. Dass jemand die dunklen Künste gegen ihn wenden könnte, erfüllt ihn mit Schrecken, was er nicht zugeben kann. Die Menschen haben Angst um ihn und er um sich selbst. Niemand kann abschätzen, was ein Gelehrter wie Roger Bolingbroke anrichten könnte, wenn er dem jungen König Schaden zufügen wollte. Sollte er unter der Führung der Herzogin mit anderen bewanderten Männern im Bunde sein, könnte sie eine Verschwörung gegen den König angezettelt haben, um ihn umzubringen. Was, wenn just in diesem Augenblick etwas Schreckliches durch seine Adern kriecht? Was, wenn er zerbricht wie Glas oder schmilzt wie Wachs?
Die Herzogin erscheint an der hohen Tafel im Westminster Palace. Sie sitzt dort allein, auf dem Gesicht ein Lächeln, als sei ihre Zuversicht ungebrochen. In der luftlosen Halle, in die aus den Küchen wie heißer Atem der Geruch von Fleisch hereinwabert, wirkt sie kühl und unbeschwert. Ihr Gemahl ist in Sheen an der Seite des Königs. Er versucht, den jungen Mann zu beruhigen und alles abzustreiten, was sein Onkel, der Kardinal, hervorbringt. Er schwört bei seinem Leben, der junge König werde von allen geliebt, und er habe nie ein Horoskop für den König gesehen, sein Interesse an Alchemie diene einzig dem Wohle des Königs und das Kräuterbeet im Küchengarten von Penshurst sei bereits im Tierkreiszeichen angelegt gewesen, als er das Haus bezogen habe. Er wisse nicht, wer es gepflanzt habe. Vielleicht der vorherige Besitzer?
Ich sitze bei den Ladys in den Gemächern der Herzogin und nähe Hemden für die Armen. Ich sage nichts, auch nicht, wenn die Herzogin plötzlich unvermittelt auflacht und erklärt, sie könne sich nicht vorstellen, was den König so lange im Palast von Sheen aufhalte. Er solle doch nach London zurückkehren, dann könnten wir alle endlich durchs Land reisen, um der Hitze zu entkommen.
«Ich glaube, er kommt noch heute Abend», melde ich mich schließlich ungefragt zu Wort.
Sie sieht aus dem Fenster. «Er hätte früher reiten sollen», sagt sie. «Jetzt wird er in den Regen geraten. Es zieht ein schrecklicher Sturm auf!»
Ein plötzlich einsetzender Regenguss lässt die Frauen aufschreien. Aus dem rabenschwarzen Himmel grollt Donner. Das Fenster knarrt im aufkommenden Wind, dann wird es plötzlich von einem eisigen Windstoß aufgerissen. Eine Dame schreit, als das Fenster gegen den Laden knallt, ich stehe auf und ziehe es am Haken zu. Ein Blitzstrahl fährt über den Himmel, und ich zucke zusammen. Über dem Weg des Königs ist ein Gewitter aufgezogen, und binnen kurzem prasseln Hagelkörner gegen das Fenster, als würde jemand Kieselsteine werfen. Eine Lady wendet sich mit blassem Gesicht an die Herzogin und ruft: «Ein Sturm über dem König! Ihr habt gesagt, es würde einen Sturm über dem König geben!»
Die Herzogin hört kaum hin, sie sieht mir zu, wie ich mit dem Wind am Fenster kämpfe, bis ihr die Schwere der Worte dieser Anschuldigung bewusst wird und sie zu
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