Die Mutter der Königin (German Edition)
zurückkehre, wenn das hier vorbei ist.
Dein Richard
Ich stecke das Blatt Papier in mein Kleid, über mein Herz, und gehe in den Stall. «Sattelt die Pferde», befehle ich der Leibgarde. «Und sagt ihnen, sie sollen meine Stute für die Reise fertig machen. Wir kehren nach London zurück.»
[zur Inhaltsübersicht]
London
SOMMER 1450
I ch reite den ganzen Weg mit schwerem Herzen. Ich spüre deutlich, dass Richard in Gefahr ist, dass er sich mit seiner Truppe in der Unterzahl befindet und in den dichten Wäldern Kents Hinterhalte auf ihn warten, Fallen von Banden, die ihn ergreifen, wie sie William de la Pole ergriffen haben, und ihn ohne den Beistand eines Geistlichen mit einem rostigen Schwert enthaupten.
Schweigend nehmen wir die Straße nach London, doch als wir zwischen Gemüsefeldern und kleinen Milchbauernhöfen hindurchreiten, befiehlt der Anführer meiner Eskorte seinen Männern aufzuschließen und sieht sich öfter um, als fürchte er, uns drohe Gefahr.
«Was ist?», frage ich.
Er schüttelt den Kopf. «Ich weiß nicht, Mylady. Etwas …» Er unterbricht sich. «Es ist zu still», sagt er wie zu sich selbst. «Die Hühner wurden vor Sonnenuntergang eingesperrt, die Läden an den Höfen geschlossen. Hier ist was faul.»
Das muss man mir nicht zweimal sagen. Etwas stimmt hier nicht. Mein erster Gemahl, der Herzog, hat immer gesagt, wenn man in eine Stadt reite und das Gefühl habe, etwas stimme nicht, dann liege das in der Regel daran, dass etwas nicht stimme. «Schließt auf», befehle ich. «Wir reiten in die Stadt, bevor die Tore schließen, zu unserem Londoner Haus. Sagt Euren Männern, sie sollen wachsam sein. Wir reiten im Kanter.»
Er gibt seinen Männern das Zeichen aufzuschließen, und wir reiten auf das Stadttor zu. Doch kaum sind wir durch Moorgate und reiten durch die engen Straßen, nimmt der Lärm zu, Jubel und Lachen, Trompetenklänge und Trommelschläge.
Es klingt wie eine Prozession zum Ersten Mai, es klingt nach ausgelassener Freude, in den Straßen sind Hunderte von Menschen. Meine Leibgarde zieht ihre Pferde in einem schützenden Rechteck näher um meines.
«Hier entlang», sagt der Hauptmann und führt uns rasch durch die gewundenen Straßen, bis wir auf die große Mauer stoßen, die um unser Londoner Haus verläuft. Die Halterungen links und rechts der Einfahrt, in denen immer Fackeln brennen, sind leer. Das Tor selbst, das entweder für die Nacht verrammelt oder gastfreundlich offen stehen sollte, ist halb geöffnet. Der Weg zum Haus ist leer, doch überall liegt Abfall, und die Haustür ist nur angelehnt. Ich richte den Blick auf George Cutler, den Hauptmann, und sehe meine Unsicherheit in seinen Augen gespiegelt.
«Mylady …», sagt er misstrauisch. «Besser, ich gehe rein und schaue, was hier los ist. Etwas stimmt hier nicht, vielleicht …»
Während er das sagt, kommt ein Betrunkener – der nicht zu meinen Dienern gehört – durch das Tor heraus, torkelt an uns vorbei und verschwindet in der Gasse. Cutler und ich tauschen noch einen Blick. Ich ziehe die Füße aus den Steigbügeln, steige ab und werfe die Zügel einer Wache zu.
«Wir gehen rein», sage ich zu Cutler. «Zieht Euer Schwert. Zwei Männer kommen mit.»
Sie folgen mir über das Kopfsteinpflaster zum Haus, zu meinem Londoner Zuhause, auf das ich so stolz war, als ich es bekam, und das ich mit so viel Freude möbliert habe. Der eine Flügel der Haustür ist aus den Angeln gerissen, und es riecht nach Rauch. Als ich den anderen Flügel öffne und hineingehe, sehe ich, dass der Pöbel durch die Räume gestürmt ist und mitgenommen hat, was er für wertvoll hielt. An den Wänden nur noch blasse Rechtecke, wo einst meine Wandteppiche hingen, die Wandteppiche des Duke of Bedford. Ein riesiges Buffet, zu schwer, um es hinauszutragen, wurde des Zinngeschirrs beraubt, die geschnitzten Türen knarzen in der zugigen Luft. Ich gehe weiter in die große Halle. Sämtliche Tranchierbretter, Weinkrüge und Trinkbecher sind fort, doch der wunderschöne große Wandteppich hinter dem hohen Tisch ist absurderweise noch da, unberührt.
«Meine Bücher», rufe ich und springe auf das Podest, stürze durch die Tür hinter dem hohen Tisch und die wenigen Stufen hinauf in das private Wohngemach. Von dort sind es zwei Stufen durch einen Haufen Glasscherben in die Galerie, wo ich stehen bleibe und mich umsehe.
Sie haben die Messinggitter aus den Regalen gerissen, sie haben die Messingketten mitgenommen, mit denen die Bücher
Weitere Kostenlose Bücher