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Die Mutter der Königin (German Edition)

Die Mutter der Königin (German Edition)

Titel: Die Mutter der Königin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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solchen Menschenmenge nach Westminster marschiert, dann kann er sich auf den marmornen Thron des Königs setzen. Dieser Mann hat die Stadt in der Hand. Doch er schlägt den Weg in die Candlewick Street ein, wo der London Stone stolz auf der Straße steht, um den Mittelpunkt der Stadt zu markieren. Er schlägt mit seinem Schwert auf den Stein, und ob des metallenen Klirrens jubelt die Menschenmenge auf.
    «Nun ist Mortimer Herr der Stadt!», brüllt er neben dem Stein, in der einen Hand den Schild, mit der anderen hält er das Schwert hoch über den Kopf und lässt sich bejubeln.
    «Zum Essen!», ruft er, und alle gehen mit ihm zur Guildhall, wo der Bürgermeister ein Abendessen für ihn und seine Offiziere ausrichtet. Als die Menschen mit ihm hineingehen, begierig auf die Reste von Fleisch und Brot, lasse ich mich vom Pferd gleiten, führe die Stute vorsichtig am Zügel aus der Menschenmenge und hoffe, unbemerkt zu entkommen.
    Ich nehme eine Seitenstraße, die in eine kleine Gasse mündet. Als ich feststelle, dass ich mich verlaufen habe, stelle ich mich auf eine Stufe, hieve mich mühsam in den Sattel und reite nach Osten, lasse mich von dem Gefälle der Straße zum Fluss bringen. Ich erinnere mich, wie ich als Mädchen auf dem Weg nach England im Wald verloren ging und Richard mich fand. Ich kann nicht glauben, dass er mich nicht mehr suchen kommen soll. Es scheint mir unmöglich, dass ich ihn das letzte Mal berührt, zum letzten Mal geküsst haben soll. Ich kann mich nicht einmal an die letzten Worte erinnern, die ich zu ihm gesagt habe. Wenigstens sind wir liebevoll auseinandergegangen, so viel weiß ich noch. Ich erinnere mich weder an unsere letzten Worte noch an unseren letzten Blick, doch ich weiß, dass wir zärtlich auseinandergegangen sind, denn wir sind immer zärtlich auseinandergegangen. Wir haben einander zur Nacht geküsst und beim Frühstück schon wieder. Er war immer liebevoll zu mir, selbst als er mich als nichts anderes hätte betrachten sollen denn als seine Lady. Selbst als ich ihm eine Falle stellte, um ein Kind von ihm zu empfangen, und auf einer heimlichen Hochzeit beharrte. Vierzehn Jahre lang war er mir Geliebter und Gemahl, und jetzt habe ich Angst, dass ich ihn verloren habe.
    Ich lasse die Stute am langen Zügel gehen und den Weg durch das Gewirr der schmutzigen Gassen suchen. Sie weiß genau, wo die Ställe von Westminster sind, und mir ist es gleich. Wenn ich an Richard denke, tot in einem Graben in Kent, möchte ich mich in die Gosse legen und sterben. Ich lege die Hand auf meinen Bauch und denke an das Kind, das seinen Vater womöglich nie kennenlernt. Kann es wirklich sein, dass Richard dieses Kind nie sehen wird?
    Es wird dunkel, als wir zu einem der vielen Seitentore des weitläufigen Palastes kommen. Ich bin überrascht, dass hier keine Wache steht. Ich hätte erwartet, dass die Tore geschlossen und mit doppelter Stärke bemannt sind. Doch es sieht dem König ähnlich, sorglos zu sein, und wer soll die Wachen befehligen, wenn mein Gemahl es nicht kann?
    «Heda!», rufe ich im Näherkommen. «Heda! Öffnet das Tor!»
    Stille. Stille, wo gewöhnlich zahllose Menschen kommen und gehen. Stille, wo ich eine laute Antwort erwartet hätte. Ich zügele das Pferd. Mir fällt wieder ein: Wenn man spürt, dass etwas nicht stimmt, dann stimmt meistens tatsächlich etwas nicht. «Öffnet das Katzenloch», rufe ich, gewappnet, das Pferd zu wenden und fortzupreschen, sollte ich angegriffen werden. «Öffnet das Tor für die Duchess of Bedford!» Langsam geht die kleine Tür in dem großen Tor knarrend auf, und ein Stallbursche späht nervös heraus.
    «Die Duchess of Bedford?»
    Ich schlage die Kapuze zurück, damit er mein Gesicht sehen kann. «Höchstpersönlich. Wo sind alle?»
    Er blickt mit seinem spitzen weißen Gesicht zu mir auf. «Weggelaufen», erklärt er. «Alle außer mir, ich konnte nicht weg, weil mein Hund krank ist und ich ihn nicht allein lassen wollte. Soll ich mit Euch kommen?»
    «Wohin weggelaufen?»
    Er zuckt die Achseln. «Weggelaufen vor Hauptmann Mortimer und seiner Armee. Einige sind hin, um sich ihm anzuschließen, andere sind auf und davon.»
    Ich schüttele den Kopf. Ich verstehe das einfach nicht. «Wo sind der König und die Königin?»
    «Auch weggelaufen.»
    «Um Himmels willen! Wo sind sie, Junge?»
    «Nach Kenilworth», flüstert er. «Aber das darf ich keinem sagen.»
    Mit kalter Hand und pochendem Herzen fasse ich in die Mähne meines Pferds. «Was? Sie

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