Die Mutter der Königin (German Edition)
die Kanone auf die wild zusammengewürfelte Armee, die in den sumpfigen Niederungen unterhalb des Towers kampiert, und nach Norden auf die Straßen, doch niemand kommt in Schussweite. Die Kämpfe werden Mann gegen Mann ausgefochten, Straße um Straße, denn die Rebellen versuchen vorzustoßen, aber die Lehrlinge und Kaufleute, die ihre Häuser gut bewaffnet verteidigen, drängen sie zurück. Mein Gemahl befehligt einen Flügel unserer Streitkräfte und Lord Scales den anderen; so kämpfen sie sich durch die tückischen Straßen voran, immer in Richtung Fluss.
Vor dem Bridgegate, wo die Gassen dicht und eng werden, bieten die Rebellen ihnen Paroli, doch die Soldaten aus dem Tower preschen vor, und allmählich weichen die Aufständischen zurück, geben die Brücke Meter um Meter verloren. Diesmal sind die Türen der Häuser auf der Brücke verbarrikadiert und die Läden vor den Fenstern geschlossen, die Handwerker und Händler haben sich in ihren Häusern verkrochen, sie haben die Unruhen satt und fürchten das Schlimmste, als der Kampf ganz allmählich über den Fluss vorrückt. Die grinsenden Schädel von Lord Say und William Crowmer blicken von den Lanzen auf der Brücke herab, auf der ihre Mörder im zähen Kampf von der königlichen Armee zurückgedrängt werden, einen mühsamen Schritt nach dem nächsten.
Von mir vorgewarnt, führt mein Gemahl dicke Seilrollen und Handwerker an der Spitze der Männer mit, und sobald sie sich an den Befestigungen vorbeigekämpft haben, lässt er die Handwerker von Soldaten abschirmen, während sie fieberhaft die Seile ersetzen, die Jack Cade mit seinem geraubten Schwert durchtrennt hat. In großer Hast arbeiten sie, fürchten Pfeile und Geschosse von der Rebellenarmee, während mein Gemahl an der Spitze seiner Männer mit dem Schwert in der einen und der Axt in der anderen Hand kämpft, Stück für Stück vorrückt, bis sie Cades Armee auf die andere Seite der Brücke gedrängt haben. Richard brüllt einen Befehl, Trompeten schmettern laut über dem Lärm, da bricht die königliche Armee den Kampf ab, rennt zurück, und die Zugbrücke wird rumpelnd und dröhnend hochgezogen. Mein Gemahl stützt sich auf sein blutiges Schwert und grinst Lord Scales an. Dann blickt er über die gut zwanzig Spannen lange Brücke auf die englischen Toten, die gleichgültig in den Fluss gerollt werden, und auf die Verletzten, die stöhnend um Hilfe rufen.
An diesem Abend setzt er sich in unseren Gemächern in eine tiefe Wanne, und ich seife ihm den Hals und den muskulösen Rücken ein, als wären wir ein Bauer mit seiner Dirne, die am Fastnachtsdienstag ihr jährliches Bad nehmen. «Gut», sagt er. «Bete zu Gott, dass das Schlimmste vorbei ist.»
«Werden sie um Vergebung bitten?»
«Der König hat schon Begnadigungsschreiben geschickt», erzählt er und schließt die Augen, als ich ihm einen Krug heißes Wasser über den Kopf gieße. «Hunderte. Ohne zu überlegen. Und einen Bischof, der ihre Namen eintragen soll. Allen wird verziehen, allen wird gesagt, sie sollen nach Hause gehen.»
«Einfach so?», frage ich.
«Einfach so.»
«Glaubst du, sie holen sich jetzt alle ihr Begnadigungsschreiben ab und gehen nach Hause, als wäre nichts gewesen?»
«Nein», antwortet er. «Aber der König hofft, dass sie verführt und irregeleitet wurden, dass sie ihre Lektion gelernt haben und ihn als Herrscher anerkennen. Er möchte, dass das Ganze die Schuld eines schlechten Anführers gewesen ist und die anderen sich nur geirrt haben.»
«Königin Marguerite wird das nicht denken», sage ich, denn ich kenne ihr Naturell und weiß, dass sie gelernt hat, wie man ein Bauernvolk regiert, das durch Gewalt und Ehrerbietung kleingehalten werden muss.
«Nein, bestimmt nicht. Aber der König hat sich dazu entschlossen, was auch immer sie davon halten mag.»
Jack Cades Rebellen, die so mutig waren und auf eine bessere Welt hofften, stellen sich in ihrem Lager in einer Reihe auf, um ihre Begnadigungen entgegenzunehmen – und scheinen sogar noch froh darüber zu sein. Sie nennen ihre Namen, die Bischof William Waynfletes Schreiber an einem kleinen Schreibtisch einträgt. Er richtet ihnen aus, sie sollen nach Hause gehen, der König habe ihnen verziehen. Der Bischof segnet sie, macht über jedem gesenkten Kopf das Kreuzzeichen und wünscht jedem Einzelnen, er solle in Frieden gehen. Sogar Jack Cade stellt sich an für sein Stück Papier, und ihm wird in aller Öffentlichkeit verziehen, dass er eine Armee gegen den
Weitere Kostenlose Bücher