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Die Mutter der Königin (German Edition)

Die Mutter der Königin (German Edition)

Titel: Die Mutter der Königin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Schießscharte, die über die Stadt blickt. «Woodville, mein alter Freund, ich weiß, dass Ihr recht habt, aber wenn sie uns jetzt mit allen Männern angreifen, die sie zur Verfügung haben, dann sind wir ihnen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, Eure Gemahlin genau wie wir anderen.»
    «Wir können ihnen standhalten», widerspricht mein Mann.
    «In Southwark haben sie eine ganze Armee stehen, und jeden Tag kommen mehr Männer aus Essex, um da draußen zu kampieren. Inzwischen sind es Hunderte. Wer weiß, wie stark sie noch werden? Wenn sie aus Essex kommen, was hindert sie daran, aus Hertfordshire zu kommen? Aus Nottinghamshire? Was, wenn sie das ganze Land gegen uns aufbringen?»
    «Dann sollten wir lieber jetzt zuschlagen, bevor sie noch stärker werden.»
    «Und wenn sie den König haben, und wir wissen es noch nicht?»
    «Dann müssen wir gegen sie kämpfen.»
    «Aber wenn wir mit ihnen verhandeln, ihnen Begnadigung versprechen und ihnen versichern, dass ihre Beschwerden ernst genommen werden und es eine Untersuchung geben wird, dann gehen sie zurück auf ihre kleinen Bauernhöfe und holen das Heu ein.»
    «Wenn wir ihnen Begnadigung gewähren, haben wir sie gelehrt, dass sie die Waffen ungestraft gegen den König von England richten können», wendet mein Gemahl ein. «Eine Lektion, die wir womöglich eines Tages bereuen werden.»
    «Ich kann die Sicherheit des Towers nicht aufs Spiel setzen», sagt Lord Scales entschlossen. «Wir können nicht angreifen, wir müssen uns auf eine Verteidigung vorbereiten. Schlimmstenfalls gewinnen wir mit Lord Say ein wenig Zeit.»
    Schweigen breitet sich aus, während mein Gemahl die Tatsache verdaut, dass sie ein Mitglied des englischen Hochadels an einen Mob ausliefern, der ihn tot sehen will. «Ihr seid der Kommandant», sagt er steif. «Ich stehe unter Eurem Befehl. Doch mein Rat lautet, ihrem Begehr nicht nachzukommen.»
    An diesem Nachmittag schicken sie Lord Say hinaus zur Guildhall, wo die Ratsherren, die den Mut dazu haben, und die Rebellen, die wild darauf sind, für einen Tag einen kleinen Gerichtshof einrichten. Sie überreden seine Lordschaft zu gestehen, suchen ihm einen Priester und bringen ihn zur Hinrichtung in die Cheapside. Sein Schwiegersohn William Crowmer, der Sheriff von Kent, wähnt sich im Glück, als er aus dem Fleet-Gefängnis entlassen wird, und tritt fröhlich aus dem massiven Steintor, weil er davon ausgeht, dass eine Rettungsmannschaft gekommen ist, um ihn zu holen. Doch vor dem Tor erwartet ihn nur der Galgen. Sie machen sich nicht einmal die Mühe, ihn anzuklagen, sondern knüpfen ihn ohne weitere Umstände auf.
    «Gott möge ihnen verzeihen», sagt mein Gemahl. Wir stehen auf der Mauer des Towers im Schutz der Brustwehr und blicken hinunter auf die Straßen. Ein tanzender, singender, jubelnder Mob drängt durch die engen Gassen zum Tower. Richard schiebt seine breiten Schultern vor mich, doch ich spähe um ihn herum, um zu sehen, wer die Prozession anführt. Es ist der Kopf von Lord Say, den sie auf einem Spieß vor der Meute hertragen. Dahinter, auf einer anderen Lanze, der abgetrennte Kopf von William Crowmer, dem Sheriff, der versprochen hat, seine Grafschaft Kent in eine Einöde zu verwandeln. Als sie sich den Toren des Towers nähern, bleiben sie stehen und grölen herausfordernd, und dann lassen sie die beiden Köpfe miteinander tanzen. Die Lanzenträger knallen die Gesichter der Toten aneinander und schütteln sie so auf den Lanzen, dass ihre Münder sich immer wieder berühren. «Sie küssen sich! Sie küssen sich!», schreien sie und brüllen vor Lachen über das Spektakel. «Schickt uns Lord Scales heraus!», brüllen sie. «Er kann auch einen Kuss vertragen!»
    Richard zieht mich in den Schatten der Mauer zurück. «Mein Gott», sage ich leise. «Das ist das Ende, nicht wahr? Das ist das Ende von England, wie wir es kennen. Das Ende von allem.»

    Am nächsten Abend bemerke ich beim Abendessen, dass Richard den Kopf tief über den Teller senkt und ohne Unterbrechung isst und kaum Luft holt, aber keinen Schluck Wein trinkt. Während der ganzen Mahlzeit flüstern ihm Diener kurze Botschaften ins Ohr. Nach dem Abendessen wird weder getanzt noch gesungen, nicht einmal Karten gespielt. Heute Abend herrscht noch mehr Geheimnistuerei und Aufregung. Die wenigen Menschen dieses belagerten Hofes stehen in kleinen Gruppen herum und flüstern ängstlich miteinander. Dann tritt Richard auf die Stufen zum Podest und erhebt die

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