Die Mutter
bringen, versuchte Greg, sich daran zu erinnern, wo er Cynthia in der Vergangenheit schon einmal getroffen hatte. Er drehte seine Erinnerung zurück und stellte dabei fest, dass es dort, wo er Einzelheiten ausgeblendet hatte, viele schwarze Flecken gab. Vielleicht glaubte er ja nur, dass er sie schon einmal getroffen hatte. Vielleicht war sie einer dieser Menschen, die aussahen wie viele andere. Denn wenn er versuchte, sich an Cynthias Gesicht zu erinnern, stellte er fest, dass er in seiner Vorstellung kein starkes Bild von ihr formen konnte. Er wusste, dass sie klein und extrem dünn war, mit langen grauen Haaren und ein paar blonden und schwarzen Strähnen. Und ihre Augen waren ...
Greg runzelte die Stirn. Welche Farbe hatten sie? Ihm fiel hur eine Farbe ein - schwarz. Aber das war nicht möglich. Sie waren definitiv dunkel, vielleicht braun; vielleicht lag es auch daran, dass er darin eine Einsamkeit und Niedergeschlagenheit
erkennen konnte, die sie schwarz erscheinen ließen: Er wusste einiges über solche Gefühle.
Er hörte, wie das Wasser im Bad abgestellt wurde.
Ein paar Minuten später kam Cynthia heraus, gefolgt von einer Dampfwolke. Sie trug Jogginghosen und ein langärmliges T-Shirt.
Sie huschte an Greg vorbei und warf ihre Tasche am Fuß des Bettes auf den Boden.
Frischer Seifenduft erfüllte die Luft. Cynthias Haar war ebenso nass wie zuvor, aber zumindest sah es jetzt sauber aus.
»Gute Dusche?«, fragte Greg.
»Sie war heiß.«
Greg sprang vom Bett, hinterließ einen relativ großen Wasserfleck auf der Tagesdecke und griff nach seiner Tasche. Er öffnete den Reißverschluss und nahm eine weite Shorts und ein altes T-Shirt heraus, die er normalerweise zum Schlafen trug. Er richtete sich auf und schaute zu Cynthia hinüber.
»Ich hoffe, Sie haben mir ein bisschen heißes Wasser übrig gelassen.«
Cynthia wühlte in ihrer Tasche. Als sie sich wieder aufrichtete, hielt sie eine blaue Mütze in der Hand - eine dreckige Mütze, die aussah, als habe sie sie am Straßenrand gefunden. Sie setzte sie auf ihr langes, nasses Haar. Sie war ihr viel zu groß.
»Ich bin sicher, dass noch heißes Wasser übrig ist.«
Greg runzelte die Stirn. So kalt war es im Zimmer nun auch wieder nicht - eigentlich war es noch immer heiß von der drückenden Hitze des Tages. »Angst, dass Ihnen die Sonne in die Augen scheint?«, fragte er mit einem Lächeln.
»Nein. Die ist... sie gibt mir Trost.«
Greg hob die Schultern. Als er sich die Mütze genauer ansah, zuckte er zusammen.
Sein Magen schlug einen Flickflack.
Es war eine blaue Baseballmütze.
So eine hatte er nicht mehr gesehen, seit...
Greg tat der Kopf weh, und sein Mund fühlte sich trocken an.
Er griff nach dem Handtuch, das fein säuberlich gefaltet am
Fuß des Bettes lag, und ging ins Badezimmer. Bilder vom
geschundenen Gesicht des Mannes und der Art, wie die Mütze auf seinem Kopf gesessen hatte, erschienen vor seinem inneren Auge.
Greg wusste, dass morgen ein schwerer Tag werden würde, wenn er sich an den Ort des Verbrechens begab. Aber jetzt wollte er noch nicht darüber nachdenken, was damals passiert war. Er wollte seinem Hirn eine Pause gönnen, bevor er es mit diesen Gefühlen quälte. Heute würde er die Erinnerungen nicht an sich herankommen lassen. Er musste sich erneut daran erinnern, dass er nicht mehr dieser Kerl von früher war, und dass die Tatsache, dass er mit Cynthia hier war, ohne irgendetwas mit ihr zu machen, ein Beweis dafür war. Er hatte ihr geholfen, ob sie seine Hilfe gewollt hatte oder nicht, und das hätte er früher niemals getan.
Greg ging ins Bad und zog sich aus; seine Halskette behielt er an - er nahm sie niemals ab. Er trat in die Dusche, drehte das Wasser an und seifte sich ein.
Um sich von den plötzlich hereinbrechenden schlechten Erinnerungen abzulenken, stimmte er sein altes Lieblingslied an, > Private Universe<. Schon bald vertrieb das Singen, zusammen mit der dampfenden Dusche, die unschönen Bilder. Als das heiße Wasser allmählich kalt wurde, fühlte er sich wunderbar entspannt. Er drehte die Wasserhähne zu, stieg aus der Kabine und trocknete sich mit dem Handtuch ab.
Als er sich seine sauberen, trockenen Kleider angezogen hatte, fühlte er sich wieder wie ein Mensch.
Er versteckte die Kette unter seinem T-Shirt und trat aus dem Badezimmer.
»Ich fühl mich viel besser«, sagte er. »Erstaunlich, welchen Unterschied eine heiße Dusche und trockene Klamotten ...«Als er Cynthia sah, hielt er inne.
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