Die Mutter
Sie stand am Ende ihres Bettes, die Mütze noch immer auf dem Kopf, mit versteinerter Miene, während Tränen auf ihren Wangen glänzten und sie mit einer Waffe auf seinen Bauch zielte. Greg schluckte.
»Du Scheißkerl«, sagte sie leise, aber boshaft
Greg warf seine nassen Kleider auf den Teppich. »Was...? Ich hab...?«
»Du erinnerst dich nicht an mich, oder?« In Cynthias Stimme war, trotz der Tränen, eine unglaubliche Wut auszumachen. Greg schüttelte den Kopf. Was hatte er getan? Was war hier los? »Bitte, legen Sie die Waffe hin.«
»Nun, ich erinnere mich an dich. Du hast dich ganz schön verändert, M-M...Mick.«
Schmerz schoss durch Gregs Körper wie brennende Pfeile. Er bekam mit einem Mal keine Luft mehr. Dass jemand diesen Namen aussprach, setzte grauenhafte Erinnerungen in ihm frei, von denen er geglaubt hatte, er habe sie vergessen.
Der Tag, an dem er Cynthia zum ersten Mal getroffen hatte, traf ihn wie ein entgleister Zug. Der graue, neblige Morgen. Das Treffen auf dem Restaurantparkplatz. Die Freundin des Truckers, mit der Greg nur kurz gesprochen hatte. Diese Freundin war Cynthia, das erkannte er jetzt.
Greg war erstaunt darüber, wie sehr sie sich in den letzten sechs Monaten verändert hatte - sie sah beinahe wie ein anderer Mensch aus.
Greg versuchte, wieder zu Atem zu kommen. »E-E...Es tut mir s-s...so leid, w-w...was passiert ist. Das i-i...ist schon 1-l.lange her. I-I.. .Ich bin jetzt ein a-a.. .anderer M-M.. .Mensch.«
So anders auch wieder nicht, wenn man sein Stottern betrachtete.
Ein Lächeln - das teuflischste Lächeln, das Greg je gesehen hatte - huschte über Cynthias Gesicht. »Es tut dir leid? Wirklich?« Er nickte.
»Blödsinn.« Cynthia Lächeln verzog sich zu einem Knurren. Noch immer rannen ihr Tränen über die Wangen. Sie hob die Waffe.
Greg schnappte nach trockener Luft. »Du hast Blake umgebracht«, sagte Cynthia mit zitternder Stimme. »Ich habe gesehen, was passiert ist. Ich habe alles gesehen.«
Sein erster Gedanke war, zu sagen: »Nein, das habe ich nicht.
Ich war das nicht.« Aber das tat er nicht. Das entsprach nicht der Wahrheit.
Greg hatte die Zeit nach dem Mord damit verbracht, sich davon zu überzeugen, dass er nicht schuld am Tod des Mannes war. Er hatte den Typen ja nicht verprügelt, seine Kumpel hatten die Drecksarbeit gemacht. Er hatte saubere Hände.
Es hatte lange gedauert, bis er sich die Wahrheit eingestehen konnte: Er war ebenso schuldig wie die anderen. Er hatte alles eingefädelt und die Jungs angerufen, wohl wissend, dass sie nichts dagegen hatten, eine Schwuchtel bluten zu sehen. Er hatte die Wahrheit nicht erkennen wollen, aber allmählich war die Wahrheit durchgesickert - ebenso wie der wahre Grund, aus dem er den Angriff auf den Mann organisiert hatte.
Gelegentlich wollte er noch immer daran glauben, dass er den Mann (Blake - sein Name war Blake) nicht getötet hatte, aber das kam immer seltener vor, je mehr er seine Sünden zugab und Gott in seine Welt ließ.
Also ja, er hatte Blake umgebracht.
Und das zuzugeben, beruhigte ihn.
»Sie haben recht«, sagte Greg, und blickte in Cynthias tote Augen. Er stotterte nicht mehr. »Ich habe Blake umgebracht. Und es tut mir wirklich leid. Wenn ich all das ungeschehen machen könnte, würde ich es tun. Ich war damals völlig kaputt, ein Kind, das seine Perspektive verloren hatte. Ich habe ein paar richtig üble Sachen gemacht, war in Gang-Geschichten verwickelt und so ... Daher hab ich auch meinen Spitznamen. Ich heiße Greg O'Reilly. Meine Familie stammt aus Irland, deshalb haben sie mich oft >Mick< genannt, und das ist hängen geblieben.«
»Dann soll ich einfach vergeben und vergessen? Ist es das?«
Greg blickte auf die Waffe. Es war ein Revolver, und er war groß. Der würde eine Menge Schaden anrichten. Er sah wieder in Cynthias zuckendes Gesicht. »Nicht vergessen, aber vielleicht verzeihen.« Er griff in den Ausschnitt seines T-Shirts und zog seine Kette mit dem Kreuz hervor. »Ich bin dabei, mein Leben zu ändern. Ich glaube, man könnte sagen, ich habe Gott gefunden. Ich bin natürlich katholisch erzogen worden, aber ich war nie gläubig. Nicht bis vor einiger Zeit. Ich wusste, dass ich eine Entscheidung treffen musste: weiter die kriminelle Laufbahn verfolgen und irgendwann tot oder im Gefängnis enden, oder mit all dem aufhören und noch mal von vorne anfangen. Ich hätte auch den einfachen Weg wählen und dem Pfad der Sünde weiter folgen können - es war sehr verlockend,
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