Die Mutter
glauben Sie mir. Es ist viel schwerer, sich zu ändern, als derselbe Mensch zu bleiben. Aber das Bild von Blake, wie er dort auf dem Boden lag, das bin ich nicht mehr losgeworden. Bei all der üblen Scheiße, die ich angerichtet hatte, war es das, was mir immer blieb und mich bis in meine Träume verfolgte. Ich musste meinen Kopf von dieser Schuld befreien, sonst wäre ich verrückt geworden. Ich hätte den Rest meines Lebens mit dieser Last der Schuld verbracht, und das wäre schlimmer gewesen, als innerlich von Krebs aufgefressen zu werden.
Ich habe eine Entscheidung getroffen - und hierhin ich. Noch immer am Leben, noch immer von meinen Erinnerungen verfolgt, aber wenigstens kann ich mit der Schuld umgehen. Morgen wollte ich den Ort aufsuchen, an dem es passiert ist, und hoffentlich meine Dämonen begraben. Es muss göttliche Fügung sein, dass Sie und ich uns hier erneut begegnen. Es ist ein Zeichen. Ich weiß nicht, was es bedeutet, aber es ist der Weg Gottes, und deshalb muss es wichtig sein.«
Noch immer mit erhobener Waffe, sagte Cynthia: »Scheiß auf göttliche Fügung. Scheiß auf Gott. Und scheiß auf dich.« »Ich verstehe Ihren Schmerz ...«
»Du weißt gar nichts über mich«, erwiderte Cynthia mit tiefer Stimme. »Du weißt nichts über meinen Schmerz. Du hast keine Ahnung, was ich durchgemacht habe. Wie konntest du Blake so in die Falle tappen lassen? Wie konntest du ...?« Sie senkte den Kopf und weinte.
Dies war eine günstige Gelegenheit, zu versuchen, die Waffe an sich zu nehmen. Es war vielleicht seine einzige Chance, zu überleben. Aber plötzlich fühlte sich das Kreuz heiß in Gregs Hand an, es brannte förmlich, und er dachte wieder an den Grund für seine Reise - seine Vergangenheit ruhen zu lassen und für seine Sünden zu bezahlen. Er war auf den Tod vorbereitet, wenn dies Gottes Wille war. Als er nun seiner Henkerin gegenüberstand, kam ihm der Gedanke, dass dies der Grund für ihr Treffen war. Vielleicht war er gar nicht geschickt worden, um sie zu retten, eventuell war sie gesandt worden, um seine Seele zu retten.
Greg atmete langsam aus. Er befeuchtete seine Lippen. »Wenn Sie mich töten wollen, ist das okay. Wenn das mein Schicksal ist, dann akzeptiere ich es.«
Cynthia blickte zu Greg auf. Ihre schwarzen Augen flackerten über ihn hinweg, fragend, und versuchten zu verstehen. Keiner von beiden sprach. Draußen regnete es noch immer; es klang, als prasselten Tausende von Kieselsteinen gegen das Fenster.
Gregs Herz klopfte wie wild und dröhnte wie eine mächtige Trommel in seinen Ohren. Er wollte nicht lügen: Er hatte Angst. Nicht davor, was ihn auf der anderen Seite erwartete. Greg hatte seinen Frieden mit Gott gemacht und war sich sicher, dass er mit offenen Armen im Himmel empfangen werden würde (er betete, dass es so war; er ertrug es nicht, über die Alternative nachzudenken). Es war der Schmerz des Todes, vor dem er sich fürchtete. Daher konnte er es nicht fassen, als Cynthia mit einer Stimme sagte, die sanft wie eine Feder und doch so schwarz wie die Nacht war: »Ich werde dich nicht töten.«
Greg senkte den Kopf. Es sah ganz so aus, als habe Gott hier auf Erden noch Pläne mit ihm.
»Danke«, sagte er.
»Ich hasse dich für das, was du getan hast. Also dank mir nicht. Ich hatte vor, dich zu töten, als du aus der Dusche gekommen bist, aber es wäre viel zu einfach, dich zu töten. Der Tod ist zu gut für dich. Ich glaube, dich mit deiner Schuld leben zu lassen, ist eine viel schlimmere Strafe.« Sie ließ ihren Arm sinken. Die Waffe fiel mit einem dumpfen Schlag auf den Boden. »Ich will, dass du dein Leben in dem Wissen lebst, dass du einen Menschen getötet hast. Du magst Gott gefunden haben, aber das muss nicht bedeuten, dass Gott dich auch will. Ich persönlich glaube, dass Gott diese beschissene Welt schon vor langer Zeit verlassen hat.«
»Dann glauben Sie nicht?«
»Woran soll ich denn glauben? Rebecca ist tot. Blake ist tot. Ich bin ...« Sie schloss die Augen.
Greg kannte die Leere, die man als Ungläubiger spürt. Sie mochte ihn vielleicht hassen und wünschte ihm Böses, und sie hatte jedes Recht dazu, aber sie tat ihm leid.
Als Greg seine Halskette wieder unter seinem T-Shirt versteckte, sah er, dass Cynthia ebenfalls eine Kette trug - sie sah golden aus. »Was haben Sie da tun den Hals?«, fragte Greg.
Sie holte ein Kreuz unter ihrem T-Shirt hervor, das kleiner war als Gregs.
»Das verstehe ich nicht«, sagte Greg. »Wenn Sie nicht gläubig
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