Die Mutter
Hause.«
»Das verstehe ich.«
»Was jetzt gleich betrifft, können wir uns für diese Nacht entweder ein Motelzimmer nehmen oder im Truck schlafen. Hinten, in der Schlafkoje, ist ein Stockbett - ist ziemlich gemütlich.«
»Da ich nicht besonders viel Geld habe, entscheide ich mich für Betsy.«
Blake nickte. »Gute Wahl.« Er schaltete erst den Motor und dann die Lichter aus. Abgesehen von den schwachen Lampen neben den dixie-artigen Toiletten, lag der Rastplatz in völliger Dunkelheit. Blake dachte daran, dass Heather heute Nacht alleine schlafen musste und keine Ahnung hatte, was ihr Ehemann trieb oder dass er ein Geheimnis vor ihr verbarg, von dem nur sehr wenige Menschen wussten - einschließlich einer Frau, die er eben erst kennengelernt hatte. Er fühlte sich schlecht, seine Frau bedeutete ihm noch immer sehr viel.
»Denken Sie, dass ich ein schlechter Mensch bin?«
»Wieso fragen Sie mich das?«
»Ich musste nur gerade an Heather denken und daran, dass ich sie seit so vielen Jahren anlüge.«
»Nein, überhaupt nicht. Sie sollten sich deshalb nicht schlecht fühlen. Es ist ja nicht so, dass Sie ihr nicht davon erzählen wollten. Sie haben nur Angst davor. Sie halten Ihre Sexualität geheim, weil Sie Angst haben, Ihrer Frau die Wahrheit zu sagen und nicht, weil Sie sie absichtlich täuschen wollen.«
»Ich sehe da keinen Unterschied. Nicht wirklich. Betrug ist Betrug, ganz egal, wie sehr man auch versucht, ihn zu rechtfertigen.«
»Ich hab den Bullen nichts von Rebeccas Anruf erzählt, als sie mich fragten, ob ich mit ihr gesprochen habe. Ich hab die Bullen angelogen. Aber fühle ich mich deswegen schlecht? Absolut nicht.«
»Wir sind sehr unterschiedliche Menschen«, sagte Blake.
»Wir sind gar nicht so verschieden. Wir haben beide jede Menge Schmerz und Bedauern in unserem Leben. Wir beide müssen mit Entscheidungen leben, die wir in der Vergangenheit getroffen haben. Wir beide wissen, was es bedeutet, sich in einer vertrauten Welt verloren zu fühlen. Und wir leben beide auf der Straße.« Sie sah Blake an, und ihre dünnen Lippen zitterten. »Rebecca wusste nichts über ihren Vater ... wie er war und wie er mich behandelt hat, als wir zusammen waren. Sie hatte keine Ahnung, wie sie in diese Welt gekommen ist: nicht durch die Liebe zweier Menschen, sondern durch Angst und Schmerz. Ich habe alles versucht, um sie von ihm fernzuhalten. Ich habe es sogar so sehr versucht, dass ich, als sie mich fragte, ob ich sie für das Wochenende nach Sydney fahren würde, Nein gesagt habe. Sie ist trotzdem zu ihm gefahren, und Sie wissen ja, was passiert ist. Ich hätte ihr die Wahrheit sagen sollen, vielleicht wäre dann alles ganz anders gekommen.«
»Wie alt war sie?«
»Achtzehn.«
»Hatte sie keinen Führerschein?«
Jane schüttelte den Kopf. »Sie hatte nie die Möglichkeit.« Sie schaute zu Blake hinüber, und auf ihrem ansonsten schmerzverzerrten Gesicht lag ein Lächeln. »Ich wünschte, ich hätte das Foto noch. Ich hätte Ihnen so gerne meine Rebecca gezeigt. Sie war so schön. Die Leute haben oft gesagt, sie sehe aus wie eine junge Michelle Pfeiffer. Ich finde, sie war noch hübscher.«
Danach schwiegen sie beide.
Fünfzehn Minuten später war Jane eingeschlafen.
Als sie zu schnarchen begann, musste Blake lächeln.
Er wusste, wie müde sie war; ein Blick auf ihr aschfahles Gesicht und die dicken Ringe unter ihren blutunterlaufenen Augen, und jeder konnte sehen, dass sie verdammt noch mal Schlaf brauchte. Und da er wusste, wie schwer es für sie war, einzuschlafen, wenn jemand bei ihr war, nahm er es als Zeichen ihres Vertrauens - und das machte ihn glücklicher als irgendetwas anderes, an das er sich in letzter Zeit erinnern konnte.
Der Nebel hüllte den Rastplatz in weiße Schwaden und setzte dem Wald, dem Farmland und dem Highway rundum seine Maske auf. Es würde ein bitterkalter Morgen werden.
Als er einen Blick auf die Uhr warf, wurde Blake klar, dass er dringend ein wenig schlafen sollte. Meistens, wenn er in seinem Truck schlief, saß er erst noch eine Weile in der Kabine und schaute, mit einem Bier oder einem Kaffee in der Hand, nach den Sternen oder den vorbeirasenden Fahrzeugen auf dem Highway. Wenn er zu müde wurde, um noch zusammenhängende Gedanken zu fassen, kletterte er schließlich in die Schlafkoje und nickte sofort ein.
Heute Nacht hatte er viel an Heather gedacht und daran, ob er ihr die Wahrheit darüber sagen sollte, wer er wirklich war. Er hatte über Jane, oder wer
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