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Die Mutter

Die Mutter

Titel: Die Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brett Mcbean
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immer sie auch war, und ihre Situation nachgegrübelt.
    Er hatte eine komplette Thermosflasche Tee geleert und war zweimal zu den Rastplatztoiletten gewandert; Jane hatte die ganze Zeit über geschlafen, eigentlich wollte er sie auch nicht bewegen.
    Sie lag gegen die Beifahrertür gelehnt. Blake wusste aus Erfahrung, dass ihr, wenn sie den Rest der Nacht in dieser Position verbrachte, morgen früh ein schmerzhaftes Erwachen
    bevorstand; so wenig er sie auch stören wollte, entschloss er sich zu ihrem Besten dazu, zu versuchen, sie in die gemütlichere Schlafkoje umzulagern.
    Er setzte sich auf die Knie, drehte sich um, öffnete die Vorhänge, wandte sich dann wieder Jane zu, beugte sich nach vorne und schob, so vorsichtig er nur konnte und in der Hoffnung, sie nicht zu wecken, seine Hände unter ihre Beine und ihren Rücken.
    Es gelang ihm, beide Arme unter ihren Körper zu schieben, ohne dass sie auch nur kurz den Atem anhielt, und er wollte sie gerade hochheben, als sie plötzlich aufwachte.
    Blake zog seine Arme zurück. »Tut mir leid, ich habe versucht, Sie nicht aufzuwecken«, entschuldigte er sich.
    Mit schwerem Atem und weit aufgerissenen Augen fragte Jane: »Wo sind wir? Was haben Sie da gemacht?«
    Blake hielt seine Hände hoch. »Hey, alles okay. Sie haben seit neun geschlafen und ich wollte Sie nur in die Schlafkoje tragen. Da schläft sich's viel bequemer als auf dem Beifahrersitz.«
    Jane wandte sich ab und sah aus dem Fenster. Als sie sich wieder umdrehte, atmete sie entspannter und ihre Augen sahen nicht mehr aus zwei riesige Teller. »Entschuldigung«, sagte sie. »Ich bin's nicht gewohnt, in einem Truck aufzuwachen - oder mit jemand neben mir. Ich hab nur einen Schreck bekommen. Wie spät ist es?«
    »Ein Uhr.« Blake ließ sich auf seinem Sitz nieder. »Es tut mir wirklich leid, dass ich Sie geweckt habe. Ich hätte Sie schlafen lassen sollen, wo Sie waren.« »Schon okay. Ich hab sowieso schlecht geträumt.« »Nun, die Betten sind fertig. Sie können sich eins aussuchen. Mir ist egal, ob ich oben oder unten schlafe.«
    »Ich bin zu wach, um wieder einzuschlafen. Aber ich hab Durst. Haben Sie was zu trinken?« »Sicher. Ich hab Tee, Kaffee, Wasser,...« »Haben Sie auch Bier?« »Um diese Zeit?«
    Jane zuckte die Achseln. »Jede Zeit ist die richtige Zeit für ein Bier.«
    Blake lächelte. »Dieser Logik habe ich nichts entgegenzusetzen«, erwiderte er und kroch zwischen den beiden Sitzen hindurch in die Schlafkabine. Er öffnete die Tür des kleinen Schränkchens neben dem Stockbett, in dem der Kühlschrank untergebracht war, und holte zwei Dosen Melbourne Bitter heraus. Zurück in seinem Sitz, reichte er Jane eine der Dosen und öffnete dann seine. »Auf Nächte im Truck und neue Freunde.«
    Jane hob ihr Bier und sie stießen mit den Dosen an.
    Er nahm einen langen Schluck. »Es geht doch nichts über billiges, bitteres Bier, oder?«
    »Ich hab den Geschmack von Bier nie gemocht«, sagte Jane. »Na ja, jedenfalls glaube ich das. Ich kann mich nicht an eine Zeit erinnern, in der ich kein Bier getrunken hätte, aber ich erzähle den Leuten immer, dass ich es eigentlich nie gemocht habe, also schätze ich, dass es wahr sein muss.«
    »Erinnern Sie sich wirklich an nichts aus Ihrer Vergangenheit?«
    »Nicht wirklich. Sie ist irgendwie abgebröckelt, Stück für Stück, je länger ich auf der Straße gelebt habe.«
    »Ich könnte mir mein Leben ohne meine Vergangenheit gar nicht vorstellen. Ich meine, sie bestimmt doch, wer wir sind, oder? Ohne Vergangenheit ist man nur... ich weiß auch nicht...«
    »Ein leeres Gefäß?«
    Das klang richtig, fand Blake, aber er wollte es nicht laut sagen. »Nun, nicht ganz...«
    »Aber Sie haben recht. Ohne Vergangenheit - wer sind wir da? Denken Sie doch nur daran, wie sehr wir Menschen mit Alzheimer bedauern. Die erkennen noch nicht mal ihre eigenen Kinder, geschweige denn, dass sie sich an ihre Vergangenheit erinnern. Es ist eine grausame Krankheit, weil sie uns unserer Identität beraubt. Bei mir ist es genauso, nur, dass ich meinen Zustand selbst verschuldet habe.
    In mancher Hinsicht ist es schlimmer als Alzheimer, weil ich weiß, dass ich mich nicht an meine Vergangenheit erinnern kann.«
    Blake nippte langsam an seinem Bier. Er wollte nicht fröhlich werden, sondern sich nur entspannen.
    »Wissen Sie wenigstens noch, wo Sie gearbeitet oder gelebt haben?«
    »Ich erinnere mich daran, wie mein Haus ausgesehen hat, aber ich könnte Ihnen nicht sagen, wo es

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