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Die Mutter

Die Mutter

Titel: Die Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brett Mcbean
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stand. Ich weiß nicht mehr, wo ich gearbeitet habe. Meine Vergangenheit ist wie ein Puzzle, bei dem die Hälfte der Teile fehlt und das keinen Rand hat. Ich kann das bisschen, an das ich mich erinnere, nicht in Bezug zu einander setzen - ich weiß ja nicht mal, ob das, woran ich mich erinnere, real ist oder nicht. Es gibt nur zwei Dinge, an die ich mich klar und deutlich erinnere. Das eine ist Rebecca. Ich kann ihr lebendiges Gesicht sehen und ihre Stimme ganz deutlich hören. Ich kann mich an ihre Macken erinnern, an ihre Gewohnheiten, sogar an ihren Geruch.«
    Jane blickte mit sanftem Lächeln auf ihre Bierdose hinunter, aber Blake wusste, dass es nicht der rotweiße Aufdruck war, den sie sah.
    »Und das andere, woran Sie sich erinnern?«
    Janes Lächeln erstarb. »Rebeccas Vater. Ich erinnere mich auch an sein Gesicht und seine Stimme. Und an seinen Geruch, eine faulige Mischung aus Whiskey, Rauch und Wut. Ich erinnere mich daran, wie er mich auf den Boden gedrückt und mir ins Gesicht gespuckt hat, und an all die Male, die er mich geschlagen hat: immer auf den Körper, aber nie ins Gesicht Manchmal versuche ich, mir selbst weiszumachen, dass diese Dinge nie passiert sind, dass sie nur ein Produkt meiner Fantasie sind, aber ich weiß, dass es wahr ist. Es muss ja passiert sein - ich wäre sonst nicht hier, um nach Rebeccas Mörder zu suchen.«
    Blake rutschte peinlich berührt in seinem Sitz hin und her. Das Seufzen der Federn unter ihm klang in der Stille, die Janes Worten folgte, unendlich laut. Er wusste nicht, was er sagen sollte, also nahm er noch einen Schluck Bier und hoffte, dass ihm etwas halbwegs Sensibles einfallen würde. Schließlich, nach zu viel Bier und Schweigen, sagte er: »Es tut mir leid.«
    »Was?«
    »Was Ihnen passiert ist. Alles.«
    Jane leerte ihr Bier. »Das muss es nicht. Mein Bedürfnis nach Mitleid ist vor langer Zeit gestorben.«
    Blake nickte in Richtung ihrer leeren Bierdose - seine Dose war noch zu einem Viertel voll - und fragte: »Möchten Sie noch eins?«
    Jane schüttelte den Kopf. »Danke, aber eins ist genug. Ich musste meine Nerven nur ein bisschen beruhigen.«
    »Der Traum?«
    »Unter anderem.«
    Blake trank sein Bier aus. Ebenso wie Jane reichte auch ihm das eine.
    »Die Straße ist ein seltsamer Ort, nicht wahr?«, sagte Jane mit verträumter, melancholischer Stimme.
    »Wie meinen Sie das?«
    »All diese Autos und Trucks mit all den Menschen, jeder Einzelne mit eigenem Ziel, und alle beeilen sich, es zu erreichen. Nur die Straße bleibt immer dieselbe. Sie verändert sich kaum, aber die Zeit vergeht. Die meisten Dinge im Leben wachsen, verändern ihre Form, nur die Straße nicht. Sie ändert sich nur, wenn wir es wollen, wenn es unseren Bedürfnissen dient. Die meisten Menschen denken nie über die Straße nach, auf der sie reisen. Sie denken nicht an den Schmerz und den Tod, die mit ihr verbunden sind, an all das Blut, das in der Erde versickert ist. Sie ist nur ein Mittel zum Zweck für sie, und sie denken nur an diese Dinge, wenn ein geliebter Mensch in einen Autounfall verwickelt ist. Die meisten sind zu sehr damit beschäftigt, dort anzukommen, wo sie hinwollen. Die meisten Menschen reisen auf dem Highway, aber die wenigsten von ihnen sehen ihn. Seltsam, finden Sie nicht?«
    Blake zuckte mit den Schultern. »Ich hab nie richtig darüber nachgedacht. Für mich ist er ein Teil des Jobs, der mir hilft, dorthin zu kommen, wo ich hinmuss.«
    »Für mich nicht. Ich kann Ihnen mehr über diese Straße erzählen als über mein eigenes Leben. Zum Beispiel, wo all die Denkmäler für Kriegshelden und die Menschen stehen, die auf dieser Straße gestorben sind. Ich kann Ihnen jede Stadt zwischen Melbourne und Sydney nennen, durch die der Hume führt oder einst geführt hat. Ich war in jeder Tankstelle und auf jedem Rastplatz; ich kann Ihnen sogar sagen, wo die Straße eine Kurve macht. Und trotzdem kann ich Ihnen nicht sagen, in welcher Straße mein Haus stand oder wie mein Vorname lautet. Ich bin vermutlich der einzige lebende Mensch, der diese Straße sein
    Zuhause nennen kann ... der einzige Mensch, der nicht irgendwo hin will.«
    »Aber so muss es nicht sein«, sagte Blake. »Sie können jederzeit die Entscheidung treffen, nicht mehr nach diesem Mann zu suchen und den Highway zu verlassen. Ich kann Sie morgen nach Melbourne zurückfahren, und Sie können noch mal ganz von vorn anfangen.«
    »Denken Sie wirklich, dass es so einfach ist? Nichts ist so einfach. Wenn man so

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