Die Mutter
wir hier im Auto aufgehört haben, und ich erzähle sie dir?«
»Sicher«, antwortete Julia und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Sie reichte ihm die Spriteflasche. »Möchtest du?«
Gavin nahm einen Schluck aus der Flasche. Es fühlte sich gut an, als das süße Getränk seine Kehle hinunterfloss. Er gab ihr die Flasche zurück. »Und, was treibt dich an?«, wollte er wissen. »Wie waren deine Eltern so? Worauf stehst du? Ich möchte mich endlich in deinen Kopf eingraben.« »Für deine Kunst?« »Ganz genau.«
»Ich bin niemand«, sagte Julia in sachlichem Ton. »Ich tue, was ich tun muss, um zu überleben.«
Gavin wandte sich zu ihr um. Auf Julias Gesicht lag tiefe Trauer. »Weißt du was?«, begann er. »Du kannst das Porträt von Stacey haben. Ich schenke es dir.« Er streckte seine Hand aus und streichelte Julias Wange. Ihre Haut war kühl und weich. »Hast du irgendwelche Tattoos?«, fragte sie. Gavin zog seinen Arm zurück und lächelte. »Ein einfaches >Dankeschön< hätte gereicht.« Julia erwiderte sein Lächeln nicht.
»Also, das kannst du herausfinden, wenn wir in Sydney sind«, antwortete Gavin.
Als Julia die Sprite ausgetrunken hatte, warf sie die Flasche aus dem Fenster.
»Hey, wir fahren fast 120. Eine leere Flasche ist wie ein Stein.« Er sah in den Rückspiegel; glücklicherweise war die Straße hinter ihnen ebenso leer wie vor ihnen.
Julia kurbelte das Fenster hoch. »Wo du doch Künstler bist, dachte ich, du hättest wenigstens ein kleines Tattoo.« »Ziemlich klischeemäßig, findest du nicht?« Julia zuckte die Achseln.
Gavin sah, wie ihre Brüste wackelten. Erst jetzt erkannte er, dass Julia keinen BH trug, und auch wenn er liebend gern weiter auf ihre Brüste gestarrt hätte, wandte er seinen Blick wieder auf die Straße. Er würde nie in den Genuss von Julia und ihren wackelnden Brüsten kommen, wenn sie zermatscht auf dem Hume Freeway lagen. »Turnt dich das an? Männer mit Tattoos?«
Julias Gesicht blieb versteinert. Ihre Augen waren wieder hinter der Sonnenbrille versteckt.
»Ja, tut es.«
Er hatte sich eigentlich schon immer ein bisschen Kunst auf seinem Körper gewünscht - eine kleinere Version eines seiner Werke vielleicht oder Münchs Der Schrei auf seinem Rücken -, aber er war ein zu großer Angsthase. Er hasste Nadeln, und Schmerz hasste er noch mehr. Er liebte es, den Schmerz anderer Menschen zu erforschen, aber wenn es um seinen eigenen Körper und seine eigene Seele ging, hatte er schon so viel Schmerz erfahren, dass es für ein ganzes Leben reichte.
»Ich fürchte, ich bin ein zu großes Weichei, deshalb hab ich mir nie ein Tattoo stechen lassen«, seufzte Gavin. »Vielleicht lass ich mir in Sydney eins machen. Du kannst mir helfen, das Motiv auszusuchen - eins, das dich ganz heiß macht.«
Julia drehte sich zu ihm um. »Ich erwarte nicht, dass du das tust, Gavin. Ich hasse Tattoos.«
»Ich dachte, du hättest gesagt, sie machen dich scharf.«
Julia zuckte die Schultern.
Gavins Schwanz rührte sich.
Julia wandte sich wieder nach vorne. »Ich muss zur Toilette. Können wir am nächsten Rastplatz anhalten?«
Gavin musste auch.
»Klar, da müsste bald einer kommen.«
Gavin machte seinen Reißverschluss zu, trat vom Urinal zurück und ging zu den Waschbecken hinüber. Es gab drei Becken. Gavin wählte das neben dem Eingang. Seife fand er keine, also drehte er den Heißwasserhahn etwas weiter auf und wusch sich die Hände.
Als er fertig war, hielt er seine Hände unter das Gebläse des Trockners und stellte sich vor den Spiegel.
Er würde sicher nie die Hauptrolle in einer Seifenoper bekommen, aber er war auch alles andere als hässlich. Durch sein unscheinbares Aussehen fiel er in einer Menschenmenge nicht auf: dickliches Gesicht; die Haare unmodisch und vielleicht etwas zu lang, blasse, trockene Haut. Wenn ich in Sydney bin, lasse ich mir die Haare schneiden, werde Mitglied in einem Fitnessstudio, trinke weniger Kaffee, ficke jede Menge hübscher Models ...Ich werde ein richtig hipper Metrosexueller.
Er untersuchte seine Zähne im Spiegel und überprüfte seinen Atem. Zwischen seinen Zähnen steckten keine Essensreste, aber sein Atem hätte einen Kaugummi vertragen. Leider hatte er keinen - Julia musste also seinen etwas schalen Mundgeruch ertragen.
Er rülpste und roch an seinen Achseln - nein, Rexona hatte ihn nicht im Stich gelassen. Er war nun völlig kaffeeleer und sein Körpergeruch bestens - er war bereit für den letzten Abschnitt seiner
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