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Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Titel: Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seth Grahame-Smith
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Überschwemmung.
    Balthasar drehte sich zu den anderen um.
    »Lauft«, sagte er.
    Doch sie reagierten nicht. Josef und Maria waren vor Angst wie gelähmt und sahen zu, wie die Toten immer näher herangetorkelt kamen – mittlerweile weniger als hundert Meter entfernt. Sela schien auch erstarrt zu sein, bis sie auf Balthasar zugesprungen kam und einen Dolch aus seinem Gürtel zog. Sie tat es so unvermittelt, so brutal, dass er zuerst nicht sicher war, was sie vorhatte. Vielleicht ist das hier die Gelegenheit, auf die sie gewartet hat , dachte er. Ihre Chance mich umzubringen, weil ich sie im Stich gelassen habe. Doch Sela hatte nicht die Absicht, ihn zu erstechen. Sie trat näher und wies auf die Horde.
    »Ich bleibe bei dir«, sagte sie. »Helfe dir, sie zurückzuschlagen.«
    Balthasar packte ihre Hand. »Nein.« Er deutete auf Josef, Maria und das Baby. »Ohne dich sind sie so gut wie tot.«
    »Ohne mich bist du tot!«
    »Du weißt, wie man kämpft, Sela, wie man überlebt. Bring sie nach Ägypten.«
    »Du schaffst es auf keinen Fall …«
    »Halt den Mund!«
    Er packte sie am Arm, und zwar fest. Noch siebzig Meter …
    »Lauft. Jetzt, während ihr noch einen Vorsprung habt. Bleibt nicht stehen. Lauft immer weiter. Ich werde euch ein wenig Zeit verschaffen.«
    Er stieß Sela von sich. Sie drehte sich zu dem verängstigten Zimmermann um. Zu Maria und dem schlafenden Baby. Sie wusste, dass Balthasar recht hatte. Ohne sie waren die anderen so gut wie tot.
    »Sela«, sagte er.
    Sie sah wieder zu ihm, voller Angst, aber immer noch so schön, dass es wehtat, und einen Augenblick lang befanden sie sich wieder im Wasser des Orontes, golden und ewig. Balthasar verspürte den jähen Drang, sie zu packen und einfach so ein letztes Mal zu küssen. Was hatte er zu verlieren? Wahrscheinlich stand er wenige Augenblicke vor einem grausigen Tod, und außerdem verriet ihm etwas an ihrem Gesichtsausdruck, dass sie das Gleiche dachte. Doch bevor er all seinen Mut zusammennehmen konnte, verscheuchte das Geheul der herannahenden Toten die Vergangenheit und holte Balthasar in die gefahrvolle Gegenwart zurück.
    » LAUFT «, schrie er. Und sie gehorchten.
    Während die anderen eilig in Richtung Süden Fersengeld gaben, wandte sich Balthasar wieder dem Haufen aus widerlichem verfaultem Fleisch zu. Seiner Einschätzung nach handelte es sich um etwa vierzig von ihnen, weniger als fünfzig Meter entfernt. Ein Leichnam zog sich mit langen gelben Fingernägeln am Boden vorwärts, da er in seinem Leben oder im Tod die Beine verloren hatte. Der Rumpf eines anderen war auf schreckliche Weise verdreht, sodass er sich rückwärtsbewegte – was im Grunde nichts ausmachte, da er sowieso keine Augen mehr hatte.
    Sie müssen nichts sehen , dachte Balthasar. Etwas anderes erledigte das für sie.
    Sela hatte natürlich recht. Er war so gut wie tot. Allein schon aus dem Grund, weil er keine Ahnung hatte, wie er das töten sollte, wogegen er gleich kämpfen würde. Es war gut möglich, dass seine Klinge von diesen Geschöpfen abprallen würde, als wären sie aus Stein. Oder er würde in Flammen aufgehen, sobald seine Haut die ihre berührte. Nichts würde ihn überraschen. Nichts konnte ihn mehr überraschen. Doch es war egal. Selbst wenn es den schmerzhaftesten, grausigsten Tod bedeutete, den ein menschliches Wesen je erlebt hatte, würden sie das Baby nicht bekommen, und sie würden Sela nicht bekommen. Noch zwanzig Meter …
    Er umklammerte den Griff seines Schwertes … atmete die Wüstenluft tief ein.
    Okay, Balthasar … auf zum Sterben.
    Er ging zum Angriff über. Und als Balthasar sich ihnen näherte, und ihre Gesichter haarscharf zu sehen waren, erkannte er das ganze Ausmaß ihrer Hässlichkeit: Blasen voll Einbalsamierungsflüssigkeit, die sich unter ihrer verhärteten Haut gesammelt hatten, die schwarze Fäulnis ihrer Zähne, die einzelnen Haarbüschel, die noch grau oder schwarz oder braun an ihrer Kopfhaut klebten.
    Als er auf den vorderen Rand des Schwarmes stieß, gab es eine gute und eine schlechte Nachricht: Die schlechte Nachricht lautete, dass diese Wesen schneller und stärker waren, als es aus der Ferne den Anschein hatte. Die gute Nachricht war, dass sein Schwert tadellos zu funktionieren schien.
    Er machte sich an die Arbeit und hieb auf Gliedmaßen und Hälse ein. Zerhackte die lederne Haut und die verhärteten Sehnen, die sie zusammenhielten, und versuchte, nicht auf den schrecklichen chemischen Geruch der ledernen Toten zu achten

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