Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)
verhöhnte ihn nun schon seit Jahren. Verlachte ihn mit jedem Blutstropfen, der aus seinen offenen Wunden quoll. Mit dem schmerzhaften gelben Ausfluss, der aus äußerst unangenehmen Stellen drang. Und dieser Hohn wurde mit der Zeit immer stärker, während sein Körper immer schwächer wurde. Herodes wusste es, obwohl er es vorzog, diese Gedanken zu verdrängen. Du lebst nun schon so lang, und es hat dich noch nicht umgebracht. Nichts wird dich umbringen. Manchmal fragte er sich, ob dieser Gott überhaupt das Zeug dazu hatte.
Kann ein Mensch größer als ein Gott sein?
Die Sänfte des Herodes wurde behutsam zu Boden gesenkt, und Kurtisanen öffneten die Vorhänge. Sie halfen ihrem gebrechlichen König auf die Beine und zogen höflich an seinen Gewändern, um die Falten der Tagesreise zu entfernen. Dann führten sie ihn auf das unauffällige Zelt in der Mitte des Lagers zu – dessen Eingang von zwei römischen Soldaten in voller Rüstung bewacht wurde, Fackeln auf hohen Stangen zu beiden Seiten. Und obwohl Herodes sie nicht bemerkte, gaben sich zwei Verwundete außerordentliche Mühe, bei seinem Herannahen das Weite zu suchen.
Caspar und Melchyor, beide übersät mit Verletzungen, verursacht von winzigen Heuschreckenkiefern, spähten um die Ecke von Pilatus’ Zelt.
Das Zelt des Pilatus war ausnehmend schlicht. Eher spartanisch als römisch, wie Herodes fand – ein paar Stühle, um mit seinen Offizieren Hof zu halten, ein Bett, das unbenutzt aussah, und ein polierter Helm und Brustharnisch, die ordentlich auf einem Toilettentisch zurechtgelegt waren, gleich daneben ein Schwert. Ein paar hängende Öllampen warfen tanzende Schatten. Doch es gab keine der gewöhnlichen Annehmlichkeiten, die Herodes auf seinen eigenen Reisen verlangte: keine Läufer oder Kissen, keine Sofas, auf denen man sich ausruhen konnte. Vor allem aber keine schönen Frauen, mit denen man sich darauf ausruhen konnte.
So zog man doch nicht in den Krieg!
Pilatus trug ein formelles lavendelfarbenes Gewand, dessen Nähte mit einem Blattmuster aus Goldfaden geschmückt waren. Er begrüßte den Marionettenkönig von Judäa mit einer tiefen Verneigung, wobei er darauf achtete, ihn nicht zu lange anzusehen. Man hatte ihm von Herodes’ kränklicher Erscheinung berichtet, doch der tatsächliche Anblick – das faulige Fleisch und die verfärbten Zähne, die gelblichen Augen und die Wunden – entsetzte Pilatus insgeheim. Entgegen dem Protokoll entschied er, Herodes’ ausgestreckte Hand nicht zu küssen, sondern berührte sie mit seiner geneigten Stirn – eine Alternative, die zwar sehr selten, aber akzeptabel war.
»Ich bin gekommen, um euch zu helfen«, sagte Herodes.
»Ich fühle mich geehrt.« Pilatus richtete sich wieder zu seiner vollen Größe auf. »Und darf ich fragen, wobei Eure Hoheit uns helfen möchte?«
»Bei dem, was euch hergeführt hat. Einen gemeinen Dieb und ein Baby zu fangen.«
»Mit Verlaub«, sagte Pilatus, »er hat nichts ›Gemeines‹ an sich.«
Herodes ließ kurz seine schwärzlichen Zähne sehen. »Nein«, sagte er. »Das mag wohl sein.«
Pilatus bedeutete dem König, sich zu setzen, und Herodes nahm Platz. Der hölzerne Stuhl knarrte unter ihm, und kurzzeitig glaubte Herodes, er könnte zerbrechen und ihn auf den Boden fallen lassen. Seine Arme schossen unwillkürlich zur Seite, und er spürte den Adrenalinstoß, der damit einhergeht, wenn man beinahe stürzt. Gleich darauf durchzuckten ihn Erleichterung und die verzweifelte Hoffnung, Pilatus habe seine momentane Schwäche nicht bemerkt.
»Findet Ihr das nicht seltsam, Eure Hoheit?«, fragte Pilatus, der die kurze Panik des Königs gesehen hatte, es sich allerdings nicht anmerken ließ.
»Was soll ich seltsam finden?«
»Tja … der Geist von Antiochia oder ›Balthasar‹ oder was immer Ihr vorzieht ist als herzloser Mörder bekannt, wie Ihr sagt – ein Mann, der einem Leben keinen Wert beimisst, der es vorzieht, allein zu arbeiten.«
»Und?«
»Und … findet Ihr es nicht seltsam, dass solch ein Mann sich auf Gedeih und Verderb mit zwei Juden und ihrem Baby einlässt?«
»Ein Mann von diesem Schlag denkt nur an sich. Er reist nur mit ihnen, weil es von Vorteil für ihn ist – das garantiere ich Euch. Aber mir geht es nicht um den Geist von Antiochia, Kommandant. Mir geht es um Eure Unfähigkeit, ihn zu fassen.«
»Bei allem Respekt, Eure Hoheit, wir hatten es mit Mächten jenseits unserer Kontrolle zu tun.«
»Bei allem Respekt, aber Eure Männer
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