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Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Titel: Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seth Grahame-Smith
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»Geißel Roms.«
    »Du hast ›Plünderer des Oströmischen Reiches‹ vergessen«, sagte Balthasar.
    Na los …
    Und wie erwartet, wurde Balthasar mit einem brutalen Fausthieb ins Gesicht belohnt, weil er zu sprechen gewagt hatte. Doch höhnische Bemerkungen waren im Grunde alles, womit er sich noch zur Wehr setzen konnte. Zum ersten Mal in seinem Leben sah er keinen Ausweg. Es gab keine versteckte Waffe, die er in letzter Sekunde hätte ziehen können. Keine zeitlich gut geplante Ablenkung, die sich im Anmarsch befand. Jetzt lag sein Schicksal nicht mehr in seinen eigenen Händen. Er hatte alles auf eine einprozentige Überlebenschance gesetzt.
    »Auf die Knie«, sagte Petrus und zückte das Schwert.
    Was soll’s … einen Versuch war es wert.
    Balthasar rührte sich nicht, also halfen die Soldaten nach, indem sie seine Schultern nach unten drückten und ihn zwangen, im Dreck zu knien. Er machte sich bereit. Würde er es spüren, wenn seine Wirbelsäule brach oder wenn die Klinge durch sein Genick und seinen Hals schnitt? Würde er noch sehen können, wenn sein Kopf zu Boden fiel und über den Sand rollte? Welch seltsamer Anblick das wäre … dahinzurollen ohne Atem oder Körper, ins Nichts zu entschwinden, während das Blut aus mir herausströmt …
    Balthasar musterte die Gesichter der judäischen Soldaten, die am nächsten um ihn herumstanden, befühlte die Fesseln an seinen Handgelenken mit den Fingerspitzen, roch die Wüstenluft. Er betrachtete den Sand zu seinen Knien und den Himmel über seinem Kopf, ließ das Ganze auf sich wirken. Genoss es. Hier war es nun, das Resultat seines sechsundzwanzigjährigen Lebens. Auf den Knien würde er nun in Bethel sterben – oder »Bet-El«. Oder wie zum Teufel es hieß. Sein Blut würde in den Sand sickern. Die Soldaten würden auf seinen Leichnam spucken, ihn in Stücke hacken und den Hunden zum Fraß vorwerfen. Und das war’s dann.
    Geringere Männer hätten in einem solchen Augenblick gebetet. Hätten Gott um Vergebung angefleht, da sie in Kürze vor seinem Strafgericht stünden. Balthasar tröstete der Umstand, dass er selbst jetzt keinen derartigen Drang verspürte. Selbst jetzt, in den letzten Sekunden seines Lebens, wurde er nicht schwach. Und auch wenn er nichts dagegen tun konnte, dass sein Herz heftiger klopfte als je zuvor – was dazu führen wird, dass das Blut höher aus dem kopflosen Hals emporspritzt und hoffentlich diesem Hauptmann direkt ins Gesicht –, weigerte er sich, seinen Henkern die Genugtuung zu geben und sie mitansehen zu lassen, wie er sich wand.
    Was ist das?
    Auf einmal hatte Balthasar eine Vision. Ein Sternenmeer tanzte vor seinen Augen.
    Es war bereits geschehen.
    Gerade war er noch hier gewesen und hatte sich gefragt, wie es wohl sein würde, wenn man ihm den Kopf abschlug, und hatte dabei wohl den tatsächlichen Moment verpasst. Die Welt verengte, verdüsterte sich zu einem einzelnen, fernen Punkt. Irgendwo, weit weg – wo die Winde kühl bliesen, und die nackten Frauen badeten – spürte er, wie ihn ein heftiger Schmerz durchzuckte. Und er konnte etwas in jenem fernen Licht ausmachen, etwas, das sich bewegte. Es war schwer zu erkennen, aber ja, da war ganz bestimmt etwas. Ein Mann. Ein Mann, der ein Tier durch die Wüste führte … eine Frau auf dem Rücken des Tieres …
    Aha … so ist es also, wenn man stirbt. Komisch … die Menschen geben sich solche Mühe, sind so erpicht darauf, diesen Moment zu vermeiden. Aber im Großen und Ganzen ist das Sterben eigentlich gar nicht so schlimm. Ja, es ist sogar irgendwie …
    Die Soldaten beobachteten, wie Balthasar nach vorn sackte und dann zu Boden fiel, wo sein Blut im Sand versickerte. Petrus musterte den stumpfen Griff des Schwertes, mit dem er ihn niedergeknüppelt hatte, und vergewisserte sich, dass er nicht durch Blutspritzer oder Haarbüschel verunreinigt war. Dann steckte er das Schwert wieder in die Scheide zurück. Er hatte dem Geist von Antiochia einen heftigen Schlag auf den Schädel verpasst. Mehr war nicht nötig gewesen.
    Balthasar war bewusstlos.
    Decimus hatte befohlen, dass der Dieb auf der Stelle hingerichtet und sein Kopf nach Tel Arad zurückgebracht wurde, damit er als Warnung herumgezeigt werden konnte. Und sosehr Petrus das auch genossen hätte – so gern er dieses Stück Dreck auch geköpft hätte, weil es seine Männer abgeschlachtet und ihn gezwungen hatte, einen ganzen Tag in der Wüste zu verbringen –, hatte er doch den Befehl, den Geist von Antiochia

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