Die nachhaltige Pflege von Holzböden
es kein Entkommen mehr gab. Ich wollte gar nicht erst hinter mich schauen. Das war kein wachsender See. Ich war eine schrumpfende Insel.
In diesem Moment der akuter werdenden Krise verlangte meine Blase ebenfalls nach Beachtung. Vor einigen Sekunden noch ein leises Zirpen vom Frühwarnsystem, machte der Drang sich nun mit der Vehemenz einer Blaulichtsirene bemerkbar. Ich wurde allseits von unmittelbarer, unklarer Gefahr bedroht, dank des Weinflecks aus dem Nirgendwo und dem Drang, auf die Toilette zu müssen. Allerdings hatte dieses Bedürfnis auch etwas Tröstliches, Vertrautes â ein Element in diesem Szenario der Bedrängnis, das von auÃerhalb dieser wesenlosen, schleichenden Bedrohlichkeit von Decke und Dunkelheit kam. Es war real, dessen war ich mir sicher. Ich musste wirklich aufs Klo â das war empirisch beweisbar, durch frühere Erfahrungswerte abgesichert. Allmählich argwöhnte ich, dass alles andere ein Traum sein könnte. Und kaum war mir bewusst geworden, dass ich meiner neuen Realität nicht mehr traute, fühlte sie sich schon viel weniger real an.
Der dunkle Fleck hatte sich fast bis zu meinen FüÃen ausgebreitet, als mein Bewusstsein plötzlich wie mit einer Plätzchenform den rechteckigen Umriss eines Doppelbetts in der unendlichen Baumwollsavanne ausstach, um dann die Wände von Oskars Zimmer ringsum zu offenbaren. Oskars Zimmer! Ich saà plötzlich aufrecht, und mein Herz hüpfte wie ein Gummiball, der aus groÃer Höhe herabgeschleudert worden war. Es war Morgen, die Sonne schien herein, StraÃenlärm klang herauf. Ich war wach. Ich musste auf die Toilette. DrauÃen vor dem Balkonfenster hörte ich die Katzen jaulen. Die fordernden Viecher würden noch ein wenig warten müssen.
Ich schwang die Beine unter der Steppdecke hervor (die ich in Zukunft mit Vorsicht behandeln würde, nahm ich mir vor, auch wenn sie inzwischen wieder auf Normalmaà geschrumpft war) und stellte die FüÃe auf den Boden. Dieses Manöver löste ein hohles, hallendes Dröhnen im Innern der Matratze aus, das an Walgesänge in den Tiefen des Ozeans erinnerte. Der Boden war teppichlos und kühl, Stunden der Bettwärme sickerten von meinen FüÃen in die Holzdielen. Ich stand auf, reckte mich und tappte in Richtung Klo, wobei ich einen Keil aus Sonnenlicht kreuzte, dessen Wärme mich überraschte.
Irgendwann in der Nacht hatte mich eine unerklärliche Trübsal erfasst, und die Aussicht auf einen strahlend sonnigen Tag verdüsterte meine Stimmung erst recht. Vielleicht hing die Trostlosigkeit meines Albtraums mir noch nach.
Wahrscheinlich aber war der Grund für die ganze Tristesse einfach folgender: Ich hatte nichts zu tun. Das stimmte zwar nicht ganz â immerhin gab es ja Verschiedenes zu erledigen, ich musste duschen, die Katzen füttern, mich selber verköstigen. Doch auÃer dem häuslichen Einerlei hatte ich nichts vor. Diese leere Zeit â die ich als »entspannen« oder »rumtrödeln« zu kategorisieren pflegte, was auf jeden Fall aber mehr beinhaltete als dumm dastehen oder wieder ins Bett gehen â, diese leere Zeit also machte ohnehin einen GroÃteil meines Stundenplans aus, und ich hatte mich ganz besonders darauf gefreut, als ich diese Reise ins Auge fasste. Jetzt endlich, sagte ich mir, würde mein besseres Selbst â das Bücher las, die der geistigen Entwicklung förderlich waren, und Gedichte schrieb â zum Vorschein kommen. Jetzt endlich würden alle Hindernisse wegfallen, denen ich in London immer die Schuld an meiner Stagnation und mangelnden Kreativität gab. Ich hatte keine Arbeit, keinen Termindruck, keine Ablenkung, dafür eine angenehme Umgebung und keine nennenswerten Sorgen. Meine sensible Autorenseele war nicht mehr mit den Ketten der Pflicht und Zerstreuung geknechtet â sie würde sich nun also (dachte ich) ganz von selbst in lichte Höhen aufschwingen. Stattdessen war ich wie von einer Angststarre befallen. Selbst unter den günstigsten Umständen gelang es mir nicht, der zu sein, der ich gern sein wollte. Ich kriegte es einfach nicht hin. Wenn mich nichts ÃuÃerliches mehr blockierte, was blockierte mich dann? Denn blockiert war ich auf jeden Fall. Irgendetwas hielt mich mit eisernem Schraubgriff bei den Eingeweiden gepackt.
Unfaire Freunde fanden meine Ambitionen prätentiös. Doch ich war mir sicher, dass sie unrecht
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