Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die nachhaltige Pflege von Holzböden

Die nachhaltige Pflege von Holzböden

Titel: Die nachhaltige Pflege von Holzböden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Wiles
Vom Netzwerk:
unbewusster Weise unbekannten Bedürfnissen. Eine Trambahn weiß nichts von ihrem Fahrplan, selbst ihr Fahrer, ihre leitende Instanz, ist nur mit seiner Route beschäftigt. Ich beschloss, heute wenigstens einer kulturell wertvollen Tätigkeit nachzugehen – ich würde mir die Variationen über Trambahnfahrpläne anhören, Oskars großen Erfolg.
    Mittag war bereits vorbei. Der Tag war aufgebrochen, in der Mitte gespalten wie der Rücken eines Taschenbuchs. Ich machte mir einen schlichten Imbiss zurecht, dicke Scheiben Wurst in Doppeldeckerrot, Gurkenscheiben in Landrovergrün, Brot- und Käsescheiben, zurechtgeschnitten mit einem scharfen, spitzen Schälmesser, dem chirurgischsten Instrument aus Oskars chirurgischer Küche. Bewusst ignorierte ich die Konsequenzen meines Tuns, zog den Korken aus der halbvollen Weinflasche auf dem Küchentisch und goss mir ein Glas ein. Ein Glas kurz nach Mittag, eine Stunde nach dem Aufstehen, keine sehr gesunde Sache. Aber schließlich war ich ja im Urlaub, da musste man es mit den Alltagsgepflogenheiten nicht so genau nehmen. Hauptsache, ich sah mich vor, um nichts zu verschütten.
    Der Fleck war natürlich noch da, verdammter Mist. Er war so klein und blass, ganz unscheinbar. Leider sah es so aus, als hätte mein heftiges Geschrubbe vom Vortag ihn nur noch mehr hervorgehoben. Die Scheuerseite des Schwämmchens hatte winzige Kratzer in der dünnen Politur des Bodens hinterlassen – einen matten, ovalen Fleck, mit dem fiesen kleinen Makel in der Mitte. Die Botschaft war überdeutlich – bloß kein Schrubben mehr. Es gab nichts, was ich da noch tun konnte. Ich musste es einfach ignorieren. Oskar würde es schon nicht merken.
    Was fiel mir ein? Natürlich würde er es merken. Wehmütig an einer Wurstscheibe kauend, erinnerte ich mich an die Mühe, die ich mir gegeben hatte, meine Wohnung zu putzen, bevor Oskar damals zum Essen gekommen war. Einen großen Unterschied hatte es nicht gemacht.
    Was wollte er denn überhaupt? Selbst er konnte nichts gegen die unvermeidliche Abnutzung der Dinge tun, all die Kratzer, Kleckse und Klebrigkeiten, die Fingerabdrücke des Lebens sozusagen. Fingerabdrücke sind die Visitenkarte der Menschheit. Im Fernsehen mochte ich am liebsten die Sendungen, in denen Forensiker und Kriminalisten akribisch den Tathergang anhand von Flecken und kaum sichtbaren Überresten rekonstruierten, Blutstropfen, Lippenstiftspuren und Textilflusen. Die schlimmsten Verbrecher hinterließen immer am wenigsten Spuren. Wenn ein Killer kein Haar, keine einzige Spur am Tatort hinterließ, wusste man, dass es ein ganz besonders Schlimmer war, ein gefühllos kalkulierender Psychopath, außerhalb aller menschlichen Maßstäbe. Staub dagegen ist etwas zutiefst Menschliches. Er besteht in erster Linie aus toten Hautzellen. Wir alle sind wandelnde Staubfabriken. Egal wie unsinnig, war Oskars Widerstand gegen diesen unvermeidlichen Schmutz doch irgendwie heroisch.
    Für Wein war es noch zu früh. Ich trank mit Bedacht. Der Wein klebte an meinen Lippen und an den Innenseiten des Glases. Winzer nennen das den Körper, es ist ein Zeichen für hohen Alkoholgehalt – der Alkohol verändert die Oberflächenspannung der Flüssigkeit.
    Oberflächenspannung – eine griffige Formel für meine Ängste in Bezug aufs Oskars Böden und all die anderen makellosen Flächen in seiner Wohnung. Was er wohl gerade machte? In Kalifornien war es drei Uhr nachts – er würde noch in seinem Hotelzimmer schlafen, in dieser Stadt aus Hotels und Stadtautobahnen. Meine Vorstellung von Los Angeles war ein sonnengedörrtes Wirrwarr von Asphaltklischees. L.A. war das Nest seiner Frau, und baldigen Exfrau, Laura. Ich hatte sie nur einmal getroffen, als sie mit zum Essen kam, und sie hatte mir auf Anhieb missfallen. Sie war bei einem großen Auktionshaus angestellt und verdiente ein Schweinegeld mit dem Verschachern teurer Kunst unter den Superreichen. Eine vollkommen respektable Art, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, die mir in meiner wolkigen Linkslastigkeit aber suspekt erschien. Sie trank Schnaps, hatte Oskar gesagt (vielleicht Wodka pur), und ich hatte das deutliche Gefühl, dass meine Abneigung auf Gegenseitigkeit beruhte. Obwohl mein Eindruck von ihr natürlich gerechtfertigt war, ihrer von mir dagegen eine groteske Fehleinschätzung, der pure Snobismus.
    Bei unserem ersten

Weitere Kostenlose Bücher