Die nachhaltige Pflege von Holzböden
Zusammentreffen hatte sie sich als »in Ãl machend« vorgestellt. Mineral- oder Speiseöl?, fragte ich natürlich, aber â reingefallen! â es war nur ein Witz gewesen, doch nicht etwa, um das Eis zu brechen, sondern um mich zu verunsichern und gleich mal klarzumachen, wer hier den Ton angab. Die Kunst der Konversation im Sinne von Sun Tzu.
Nicht sehr hilfreich war, dass dieser kleine Wortwechsel im Eingangsbereich meiner Wohnung stattfand, wo es nach der Chemiekeulen-GroÃoffensive roch, die ich im Bad zum Einsatz gebracht hatte. Das Bad war gleich neben der Wohnungstür, wie üblich in kleinen Londoner Wohnungen, die aus viktorianischen Reihenhäusern herausgeschnitzt worden sind. Willkommen in meinem bescheidenen Heim â es mag zwar wie nach einem Gasangriff im Schützengraben riechen, aber das ist immer noch besser als Latrinengestank. Wenn man die ungünstige Lage solcher Toiletten bedachte, erschien einem das Klohäuschen im Garten von anno dazumal doch viel vernünftiger.
Oskars Toilette roch nicht nach Chemie oder Latrine. In seinem Badezimmer roch es leicht nach Seife, vor allem aber nach Wasser. Nicht nach Brackwasser, wie aus alten Rohren, sondern nach dem reinen Eiswasser schäumender Gebirgsbäche. Was riecht man da eigentlich genau, wenn man solche Frische riecht? Ozon? Ionen? Wenn ich mehr auf Shampoo-Werbung achten würde, wüsste ich es vielleicht.
Ich hielt den Teller und das Schälmesser unter den Wasserhahn und lieà beides im Spülbecken. Dann trank ich mein Glas aus, wollte es schon unter den Hahn halten, wandte mich dann aber wieder zum Tisch um. Ohne groà darüber nachzudenken ( noch ein Glas? Obwohl es nicht mal ein Uhr mittags ist?), griff ich nach der Flasche und stupste den Korken aus dem Hals. Mit frisch gefülltem Glas und entsprechend gebesserter Laune beschloss ich, mir Oskars Arbeitszimmer noch einmal anzusehen, zur Einstimmung auf irgendeine eigene sinnvolle Tätigkeit. Es zog mich unwiderstehlich an, weil es so eine perfekte Arbeitsatmosphäre hatte.
Natürlich war es noch genau so, wie ich es verlassen hatte, also fast exakt, wie Oskar es hinterlassen hatte, nur dass es inzwischen ein wenig nach altem Papier roch, vergilbenden Zeitungsausschnitten (dem Herbstlaub der Presse) und allmählich sich ansammelndem Staub. Im Moment konnte ich zwar noch keinen sehen, doch er strömte sein subtiles Aroma aus, als geisterhafte Spur unzähliger, unermüdlich tanzender Partikel in der Luft, eine Staub-Diaspora, von den Oberflächen verbannt. Aber nun, da Oskar schon seit zwei Tagen fort war, kamen die Partikel langsam zur Ruhe. Eine hauchfeine Schicht war schon auf dem Deckel des Stutzflügels gelandet. Bald würde die Putzfrau kommen und die Burschen wieder in Bewegung bringen. Putzmittel haben oft martialische Namen; es könnte leicht eins geben, das Pogrom heiÃt.
Ich stellte mein Glas auf der Schreibunterlage ab und fuhr mit dem Finger über den Pianodeckel, wo ein Strich im Staub sichtbar blieb. Als Nächstes versuchte ich, meinen Namen in die Schicht zu schreiben, aber sie war zu dünn, und ich wischte alles wieder aus. Ein seltsames Bedürfnis, das, überall seinen Namen schreiben zu wollen, auf beschlagene Fenster, in feuchten Zement, in den Schnee. Doch es scheint mir kein Akt der Besitzergreifung zu sein. Als wir noch eine junge Spezies waren, muss die Welt uns so unermesslich erschienen sein, dass wir wohl instinktiv versuchten, eine Spur zu hinterlassen, um Verbindung aufzunehmen mit anderen, mit Fremden, die immer Fremde bleiben würden. Ein Zeichen zu setzen war damals vor allem ein Ausdruck der Sehnsucht, die Zeichen anderer zu sehen.
MüÃig schlug ich eine Note an (keine Ahnung, welche â irgendwo in der Mitte) und horchte auf den verklingenden Ton. Im Wohnzimmer lief noch der Fernseher, fast unhörbar, ein sanfter Rhythmus von Sprache und Jingles, ansonsten hörte man die StraÃe, Autos (nicht sehr viele), Trambahnen (regelmäÃig) und Schritte.
Die Trambahnen erinnerten mich an mein Vorhaben. Ich sah mir die CD -Regale an mit ihren vielen Klassik-Titeln und fand eine kleine Reihe von Werken, die vom hiesigen Philharmonie-Orchester aufgenommen worden waren. Oskar hatte sicher bei vielen dieser Aufnahmen mitgewirkt, und tatsächlich fanden sich auch ein paar Exemplare der Variationen über Trambahnfahrpläne . Lou Reed lag noch im CD -Player; ich
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